einer andern: "Die dem Schlosse von dem Gute Gren¬ witz zu leistenden Naturallieferungen müssen auf jeden Fall doublirt werden, denn daß wir doch nur die Hälfte von dem bekommen, was uns zusteht, und diese Hälfte unter den langen Fingern unserer Leute noch mehr zu¬ sammenschrumpft, steht von vornherein anzunehmen." Durchstrichen, aber nicht so, daß man sie nicht noch hätte lesen können, waren die folgenden Worte: Sollte ja etwas übrig bleiben, so können wir ja den Rest alle Sonnabende in B. (dem nächsten Landstädtchen) auf dem Wochenmarkte verkaufen." An einer andern Stelle: "Kann nicht contractlich ausgemacht werden, daß die Verwalter, Statthalter (Großknechte), Ausgeberinnen u. s. w. der Pächter jedesmal von dem Baron bestätigt werden müssen? Man wüßte dann doch, mit was für Subjecten man es zu thun hat, und behielte den Griff fester in der Hand."
"Und das Vermögen dieser Menschen beträgt Mil¬ lionen!" rief Oswald und warf die Feder zornig auf den Tisch. "Schreibe ein Anderer das Gewäsch! Soll ich mich zum ergebensten Werkzeug dieser egoistischen, hochmüthigen, herzlosen Aristokratenbrut hergeben?"
Und trüber und trüber wurde es in des jungen Mannes Seele. Nicht zum ersten Male wurde er heute daran gemahnt, wie schief, wie unhaltbar doch
einer andern: „Die dem Schloſſe von dem Gute Gren¬ witz zu leiſtenden Naturallieferungen müſſen auf jeden Fall doublirt werden, denn daß wir doch nur die Hälfte von dem bekommen, was uns zuſteht, und dieſe Hälfte unter den langen Fingern unſerer Leute noch mehr zu¬ ſammenſchrumpft, ſteht von vornherein anzunehmen.“ Durchſtrichen, aber nicht ſo, daß man ſie nicht noch hätte leſen können, waren die folgenden Worte: Sollte ja etwas übrig bleiben, ſo können wir ja den Reſt alle Sonnabende in B. (dem nächſten Landſtädtchen) auf dem Wochenmarkte verkaufen.“ An einer andern Stelle: „Kann nicht contractlich ausgemacht werden, daß die Verwalter, Statthalter (Großknechte), Ausgeberinnen u. ſ. w. der Pächter jedesmal von dem Baron beſtätigt werden müſſen? Man wüßte dann doch, mit was für Subjecten man es zu thun hat, und behielte den Griff feſter in der Hand.“
„Und das Vermögen dieſer Menſchen beträgt Mil¬ lionen!“ rief Oswald und warf die Feder zornig auf den Tiſch. „Schreibe ein Anderer das Gewäſch! Soll ich mich zum ergebenſten Werkzeug dieſer egoiſtiſchen, hochmüthigen, herzloſen Ariſtokratenbrut hergeben?“
Und trüber und trüber wurde es in des jungen Mannes Seele. Nicht zum erſten Male wurde er heute daran gemahnt, wie ſchief, wie unhaltbar doch
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einer andern: „Die dem Schloſſe von dem Gute Gren¬
witz zu leiſtenden Naturallieferungen müſſen auf jeden
Fall doublirt werden, denn daß wir doch nur die Hälfte
von dem bekommen, was uns zuſteht, und dieſe Hälfte
unter den langen Fingern unſerer Leute noch mehr zu¬
ſammenſchrumpft, ſteht von vornherein anzunehmen.“
Durchſtrichen, aber nicht ſo, daß man ſie nicht noch
hätte leſen können, waren die folgenden Worte: Sollte
ja etwas übrig bleiben, ſo können wir ja den Reſt alle
Sonnabende in B. (dem nächſten Landſtädtchen) auf
dem Wochenmarkte verkaufen.“ An einer andern Stelle:
„Kann nicht contractlich ausgemacht werden, daß die
Verwalter, Statthalter (Großknechte), Ausgeberinnen
u. ſ. w. der Pächter jedesmal von dem Baron beſtätigt
werden müſſen? Man wüßte dann doch, mit was für
Subjecten man es zu thun hat, und behielte den Griff
feſter in der Hand.“
„Und das Vermögen dieſer Menſchen beträgt Mil¬
lionen!“ rief Oswald und warf die Feder zornig auf
den Tiſch. „Schreibe ein Anderer das Gewäſch! Soll
ich mich zum ergebenſten Werkzeug dieſer egoiſtiſchen,
hochmüthigen, herzloſen Ariſtokratenbrut hergeben?“
Und trüber und trüber wurde es in des jungen
Mannes Seele. Nicht zum erſten Male wurde er
heute daran gemahnt, wie ſchief, wie unhaltbar doch
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/226>, abgerufen am 24.11.2024.
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