weder Kind noch Kegel hat, die manchen ehrlichen Kerl schon Dinge haben schreiben und sagen machen, die er nur so und auch kaum so vor Gott und der Welt verantworten kann. Daß ich also nicht mehr Pastor werden könnte, stand bei mir fest, und ich schrieb also heute Morgen an Herrn von Barnewitz, mich für die mir zugedachte Ehre zu bedanken, von der ich keinen Gebrauch machen könne, da -- ich mich entschlossen hätte, Julius nach Grünwald zu begleiten. Der Ein¬ fall kam mir nämlich, wie ich die Phrase schrieb, und ich lief sogleich zu Frau von Berkow, und theilte ihr meinen Entschluß mit, worüber sie ihre ungeheuchelte Freude zu erkennen gab. -- Nun sagen Sie mir, mein vortrefflicher Freund, der Sie die Güte gehabt haben, diese lange Geschichte anzuhören, was würden Sie thun, wenn Sie in meiner Lage wären? Bedenken Sie dabei, daß ich bereits achtundzwanzig Jahre alt bin, aber noch meine sämmtlichen achtundzwanzig Zähne habe. -- Die Weisheitszähne sind ausgeblieben, sei es aus einer Vergeßlichkeit der Natur, sei es aus einer weisen Vorsicht des Schicksals, das daran dachte, wie ich so manchmal im Leben wenig genug zu beißen haben würde."
"Was ich thun würde, wenn ich an Ihrer Stelle
weder Kind noch Kegel hat, die manchen ehrlichen Kerl ſchon Dinge haben ſchreiben und ſagen machen, die er nur ſo und auch kaum ſo vor Gott und der Welt verantworten kann. Daß ich alſo nicht mehr Paſtor werden könnte, ſtand bei mir feſt, und ich ſchrieb alſo heute Morgen an Herrn von Barnewitz, mich für die mir zugedachte Ehre zu bedanken, von der ich keinen Gebrauch machen könne, da — ich mich entſchloſſen hätte, Julius nach Grünwald zu begleiten. Der Ein¬ fall kam mir nämlich, wie ich die Phraſe ſchrieb, und ich lief ſogleich zu Frau von Berkow, und theilte ihr meinen Entſchluß mit, worüber ſie ihre ungeheuchelte Freude zu erkennen gab. — Nun ſagen Sie mir, mein vortrefflicher Freund, der Sie die Güte gehabt haben, dieſe lange Geſchichte anzuhören, was würden Sie thun, wenn Sie in meiner Lage wären? Bedenken Sie dabei, daß ich bereits achtundzwanzig Jahre alt bin, aber noch meine ſämmtlichen achtundzwanzig Zähne habe. — Die Weisheitszähne ſind ausgeblieben, ſei es aus einer Vergeßlichkeit der Natur, ſei es aus einer weiſen Vorſicht des Schickſals, das daran dachte, wie ich ſo manchmal im Leben wenig genug zu beißen haben würde.“
„Was ich thun würde, wenn ich an Ihrer Stelle
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0270"n="260"/>
weder Kind noch Kegel hat, die manchen ehrlichen<lb/>
Kerl ſchon Dinge haben ſchreiben und ſagen machen,<lb/>
die er nur ſo und auch kaum ſo vor Gott und der<lb/>
Welt verantworten kann. Daß ich alſo nicht mehr<lb/>
Paſtor werden könnte, ſtand bei mir feſt, und ich ſchrieb<lb/>
alſo heute Morgen an Herrn von Barnewitz, mich für<lb/>
die mir zugedachte Ehre zu bedanken, von der ich<lb/>
keinen Gebrauch machen könne, da — ich mich entſchloſſen<lb/>
hätte, Julius nach Grünwald zu begleiten. Der Ein¬<lb/>
fall kam mir nämlich, wie ich die Phraſe ſchrieb, und<lb/>
ich lief ſogleich zu Frau von Berkow, und theilte ihr<lb/>
meinen Entſchluß mit, worüber ſie ihre ungeheuchelte<lb/>
Freude zu erkennen gab. — Nun ſagen Sie mir, mein<lb/>
vortrefflicher Freund, der Sie die Güte gehabt haben,<lb/>
dieſe lange Geſchichte anzuhören, was würden Sie<lb/>
thun, wenn Sie in meiner Lage wären? Bedenken<lb/>
Sie dabei, daß ich bereits achtundzwanzig Jahre alt<lb/>
bin, aber noch meine ſämmtlichen achtundzwanzig Zähne<lb/>
habe. — Die Weisheitszähne ſind ausgeblieben, ſei es<lb/>
aus einer Vergeßlichkeit der Natur, ſei es aus einer<lb/>
weiſen Vorſicht des Schickſals, das daran dachte, wie<lb/>
ich ſo manchmal im Leben wenig genug zu beißen<lb/>
haben würde.“</p><lb/><p>„Was ich thun würde, wenn ich an Ihrer Stelle<lb/></p></div></body></text></TEI>
[260/0270]
weder Kind noch Kegel hat, die manchen ehrlichen
Kerl ſchon Dinge haben ſchreiben und ſagen machen,
die er nur ſo und auch kaum ſo vor Gott und der
Welt verantworten kann. Daß ich alſo nicht mehr
Paſtor werden könnte, ſtand bei mir feſt, und ich ſchrieb
alſo heute Morgen an Herrn von Barnewitz, mich für
die mir zugedachte Ehre zu bedanken, von der ich
keinen Gebrauch machen könne, da — ich mich entſchloſſen
hätte, Julius nach Grünwald zu begleiten. Der Ein¬
fall kam mir nämlich, wie ich die Phraſe ſchrieb, und
ich lief ſogleich zu Frau von Berkow, und theilte ihr
meinen Entſchluß mit, worüber ſie ihre ungeheuchelte
Freude zu erkennen gab. — Nun ſagen Sie mir, mein
vortrefflicher Freund, der Sie die Güte gehabt haben,
dieſe lange Geſchichte anzuhören, was würden Sie
thun, wenn Sie in meiner Lage wären? Bedenken
Sie dabei, daß ich bereits achtundzwanzig Jahre alt
bin, aber noch meine ſämmtlichen achtundzwanzig Zähne
habe. — Die Weisheitszähne ſind ausgeblieben, ſei es
aus einer Vergeßlichkeit der Natur, ſei es aus einer
weiſen Vorſicht des Schickſals, das daran dachte, wie
ich ſo manchmal im Leben wenig genug zu beißen
haben würde.“
„Was ich thun würde, wenn ich an Ihrer Stelle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/270>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.