rechnet und ruht nicht, bis das Facit stimmt, und Alles wieder schier und glatt ist, und Du taumelst durch's Leben, wie ein leichtsinniger Kaufmann, Schuld auf Schuld häufend, von einer tollen Speculation in die andere rennend, unbekümmert darum, wie es am Zah¬ lungstage werden soll. Jener Mann würde sich eher die Hand abhauen, als sie nach etwas ausstrecken, das er nicht verdient hätte im Schweiße seines Angesichts -- Du nimmst die Gaben der goldigen Aphrodite und was Dir sonst ein günstiges Geschick gewährt, hin, wie Dein gutes Recht und murrest nur, daß es nicht mehr ist. Jetzt bist Du schon nicht mehr zufrieden mit Melitta's Liebe, für die Du ihr auf den Knieen danken müßtest, jetzt verlangst Du, sie sollte Dich geliebt haben, ehe sie Dich kannte, sie sollte wenigstens mit ihrer Liebe auch die Erinnerung an diesen Mann verloren haben. "Wenn ich die Erinnernug tödten könnte," sagte sie. Nun, was uns gleichgültig ist, vergißt man gar leicht, und was man nicht vergißt und nicht vergessen kann -- das ist uns nicht gleichgültig. Also haßt sie diesen Mann? Aber der Haß ist der wilde Bruder der holden Schwester Liebe! Vielleicht liebt sie ihn noch! -- Und woher kam er eben? Von ihr! ohne Zweifel. -- Bruno führt dieser Seitenweg noch sonst wohin, außer nach Berkow?"
rechnet und ruht nicht, bis das Facit ſtimmt, und Alles wieder ſchier und glatt iſt, und Du taumelſt durch's Leben, wie ein leichtſinniger Kaufmann, Schuld auf Schuld häufend, von einer tollen Speculation in die andere rennend, unbekümmert darum, wie es am Zah¬ lungstage werden ſoll. Jener Mann würde ſich eher die Hand abhauen, als ſie nach etwas ausſtrecken, das er nicht verdient hätte im Schweiße ſeines Angeſichts — Du nimmſt die Gaben der goldigen Aphrodite und was Dir ſonſt ein günſtiges Geſchick gewährt, hin, wie Dein gutes Recht und murreſt nur, daß es nicht mehr iſt. Jetzt biſt Du ſchon nicht mehr zufrieden mit Melitta's Liebe, für die Du ihr auf den Knieen danken müßteſt, jetzt verlangſt Du, ſie ſollte Dich geliebt haben, ehe ſie Dich kannte, ſie ſollte wenigſtens mit ihrer Liebe auch die Erinnerung an dieſen Mann verloren haben. „Wenn ich die Erinnernug tödten könnte,“ ſagte ſie. Nun, was uns gleichgültig iſt, vergißt man gar leicht, und was man nicht vergißt und nicht vergeſſen kann — das iſt uns nicht gleichgültig. Alſo haßt ſie dieſen Mann? Aber der Haß iſt der wilde Bruder der holden Schweſter Liebe! Vielleicht liebt ſie ihn noch! — Und woher kam er eben? Von ihr! ohne Zweifel. — Bruno führt dieſer Seitenweg noch ſonſt wohin, außer nach Berkow?“
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rechnet und ruht nicht, bis das Facit ſtimmt, und Alles
wieder ſchier und glatt iſt, und Du taumelſt durch's
Leben, wie ein leichtſinniger Kaufmann, Schuld auf
Schuld häufend, von einer tollen Speculation in die
andere rennend, unbekümmert darum, wie es am Zah¬
lungstage werden ſoll. Jener Mann würde ſich eher
die Hand abhauen, als ſie nach etwas ausſtrecken, das
er nicht verdient hätte im Schweiße ſeines Angeſichts
— Du nimmſt die Gaben der goldigen Aphrodite und
was Dir ſonſt ein günſtiges Geſchick gewährt, hin, wie
Dein gutes Recht und murreſt nur, daß es nicht mehr
iſt. Jetzt biſt Du ſchon nicht mehr zufrieden mit
Melitta's Liebe, für die Du ihr auf den Knieen danken
müßteſt, jetzt verlangſt Du, ſie ſollte Dich geliebt haben,
ehe ſie Dich kannte, ſie ſollte wenigſtens mit ihrer
Liebe auch die Erinnerung an dieſen Mann verloren
haben. „Wenn ich die Erinnernug tödten könnte,“ ſagte
ſie. Nun, was uns gleichgültig iſt, vergißt man gar
leicht, und was man nicht vergißt und nicht vergeſſen
kann — das iſt uns nicht gleichgültig. Alſo haßt ſie
dieſen Mann? Aber der Haß iſt der wilde Bruder der
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/276>, abgerufen am 25.11.2024.
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