Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.des hübschen, leidenschaftlichen Kindes, das ihm in den Und Oswald hatte noch vor wenigen Minuten des hübſchen, leidenſchaftlichen Kindes, das ihm in den Und Oswald hatte noch vor wenigen Minuten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0113" n="103"/> des hübſchen, leidenſchaftlichen Kindes, das ihm in den<lb/> wenigen Augenblicken ſo theuer geworden war. — Die<lb/> Liebe iſt etwas ſo Wunderbares, daß ſchon das bloße<lb/> Bewußtſein, dieſe dämoniſche Kraft in Anderen ent¬<lb/> feſſelt zu haben, hinreicht in uns eine Empfindung zu<lb/> erwecken, die, wenn ſie nicht Liebe iſt, der Liebe we¬<lb/> nigſtens täuſchend ähnlich ſieht. Die Liebe iſt ein<lb/> Spiegel, der unſer Bild ſo verklärt zurückſtrahlt, daß<lb/> ſelbſt die Klügſten, ſelbſt die Beſcheidenſten bei dieſem<lb/> Anblick ſich eines Gefühles des Stolzes nicht erwehren<lb/> können. Die Liebe macht uns zu einem Gott, und<lb/> wir müßten nicht Menſchen, nicht die Brüder des<lb/> Phaeton und des Ixion ſein, wenn es uns nicht Alle<lb/> gelüſtete, dann und wann ein wenig den Gott zu ſpielen,<lb/> oder mindeſtens einmal an der Tafel der Götter zu<lb/> ſpeiſen. Welcher Nektar aber kann ſo ſüß ſein, wie<lb/> die Küſſe von den thaufriſchen Lippen eines ſo holden<lb/> jungen Geſchöpfes? wie die Blicke aus den Augen<lb/> eines Mädchens, deſſen Buſen ſich zum erſten Male<lb/> in Liebesſehnſucht hebt? wie ihre verwirrte und doch<lb/> ſo verſtändliche Rede, dem Gezwitſcher eines jungen<lb/> Vögleins vergleichbar, das aus voller Bruſt heraus¬<lb/> ſingen möchte, und doch die rechten Töne noch nicht<lb/> finden kann? . . .</p><lb/> <p>Und Oswald hatte noch vor wenigen Minuten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [103/0113]
des hübſchen, leidenſchaftlichen Kindes, das ihm in den
wenigen Augenblicken ſo theuer geworden war. — Die
Liebe iſt etwas ſo Wunderbares, daß ſchon das bloße
Bewußtſein, dieſe dämoniſche Kraft in Anderen ent¬
feſſelt zu haben, hinreicht in uns eine Empfindung zu
erwecken, die, wenn ſie nicht Liebe iſt, der Liebe we¬
nigſtens täuſchend ähnlich ſieht. Die Liebe iſt ein
Spiegel, der unſer Bild ſo verklärt zurückſtrahlt, daß
ſelbſt die Klügſten, ſelbſt die Beſcheidenſten bei dieſem
Anblick ſich eines Gefühles des Stolzes nicht erwehren
können. Die Liebe macht uns zu einem Gott, und
wir müßten nicht Menſchen, nicht die Brüder des
Phaeton und des Ixion ſein, wenn es uns nicht Alle
gelüſtete, dann und wann ein wenig den Gott zu ſpielen,
oder mindeſtens einmal an der Tafel der Götter zu
ſpeiſen. Welcher Nektar aber kann ſo ſüß ſein, wie
die Küſſe von den thaufriſchen Lippen eines ſo holden
jungen Geſchöpfes? wie die Blicke aus den Augen
eines Mädchens, deſſen Buſen ſich zum erſten Male
in Liebesſehnſucht hebt? wie ihre verwirrte und doch
ſo verſtändliche Rede, dem Gezwitſcher eines jungen
Vögleins vergleichbar, das aus voller Bruſt heraus¬
ſingen möchte, und doch die rechten Töne noch nicht
finden kann? . . .
Und Oswald hatte noch vor wenigen Minuten
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