Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861."All dieses Neigen von Herzen zu Herzen -- Ach, wie so eigen schaffet es Schmerzen." Heiliger Goethe, bitt' für mich! Du hast ja auch So suchte Oswald sein Gewissen zu beschwichtigen -- "Darf ich jetzt bitten einzusteigen, Herr Doctor?" "Verlaß Dich darauf!" sagte dieser, dem die Unter¬ "St! sitzen Sie bequem, Herr Doctor? Adieu, „All dieſes Neigen von Herzen zu Herzen — Ach, wie ſo eigen ſchaffet es Schmerzen.“ Heiliger Goethe, bitt' für mich! Du haſt ja auch So ſuchte Oswald ſein Gewiſſen zu beſchwichtigen — „Darf ich jetzt bitten einzuſteigen, Herr Doctor?“ „Verlaß Dich darauf!“ ſagte dieſer, dem die Unter¬ „St! ſitzen Sie bequem, Herr Doctor? Adieu, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0121" n="111"/> <lg type="poem"> <l>„All dieſes Neigen von Herzen zu Herzen —</l><lb/> <l>Ach, wie ſo eigen ſchaffet es Schmerzen.“</l><lb/> </lg> <p>Heiliger Goethe, bitt' für mich! Du haſt ja auch<lb/> die Lilie nicht verſchmäht, weil die Roſe ſo ſchön iſt,<lb/> und deshalb umgiebt nun ein Kranz von Roſen und<lb/> Lilien Dein ambroſiſches Haupt. Du hätteſt die kleine<lb/> Emily an Dein großes Herz genommen und hätteſt<lb/> ihr ſanft die üppigen Haare aus der Stirn geſtreichelt<lb/> und hätteſt ſie zärtlich auf die zärtlichen Augen ge¬<lb/> küßt. O, ihr ewigen Sterne, wie reizend das Kind<lb/> in dem Augenblicke war! Denn, Alles in Allem, iſt<lb/> es doch nur ein Kind, und morgen wird ſie in ihrem<lb/> Daunenbettchen erwachen und glauben, daß ſie die<lb/> Scene in dem Erker geträumt hat.“</p><lb/> <p>So ſuchte Oswald ſein Gewiſſen zu beſchwichtigen —<lb/> für den Augenblick gelang es ihm auch.</p><lb/> <p>„Darf ich jetzt bitten einzuſteigen, Herr Doctor?“<lb/> rief der Baron, der mit Herrn von Barnewitz heran¬<lb/> trat. „Es bleibt alſo dabei, Barnewitz?“</p><lb/> <p>„Verlaß Dich darauf!“ ſagte dieſer, dem die Unter¬<lb/> redung mit ſeinem Mentor und die kühle Nachtluft<lb/> ſehr wohl gethan zu haben ſchienen. „Verlaß Dich<lb/> d'rauf. Ich gebe Dir mein Ehrenwort, daß ich —“</p><lb/> <p>„St! ſitzen Sie bequem, Herr Doctor? Adieu,<lb/> Barnewitz! fort, Karl!“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [111/0121]
„All dieſes Neigen von Herzen zu Herzen —
Ach, wie ſo eigen ſchaffet es Schmerzen.“
Heiliger Goethe, bitt' für mich! Du haſt ja auch
die Lilie nicht verſchmäht, weil die Roſe ſo ſchön iſt,
und deshalb umgiebt nun ein Kranz von Roſen und
Lilien Dein ambroſiſches Haupt. Du hätteſt die kleine
Emily an Dein großes Herz genommen und hätteſt
ihr ſanft die üppigen Haare aus der Stirn geſtreichelt
und hätteſt ſie zärtlich auf die zärtlichen Augen ge¬
küßt. O, ihr ewigen Sterne, wie reizend das Kind
in dem Augenblicke war! Denn, Alles in Allem, iſt
es doch nur ein Kind, und morgen wird ſie in ihrem
Daunenbettchen erwachen und glauben, daß ſie die
Scene in dem Erker geträumt hat.“
So ſuchte Oswald ſein Gewiſſen zu beſchwichtigen —
für den Augenblick gelang es ihm auch.
„Darf ich jetzt bitten einzuſteigen, Herr Doctor?“
rief der Baron, der mit Herrn von Barnewitz heran¬
trat. „Es bleibt alſo dabei, Barnewitz?“
„Verlaß Dich darauf!“ ſagte dieſer, dem die Unter¬
redung mit ſeinem Mentor und die kühle Nachtluft
ſehr wohl gethan zu haben ſchienen. „Verlaß Dich
d'rauf. Ich gebe Dir mein Ehrenwort, daß ich —“
„St! ſitzen Sie bequem, Herr Doctor? Adieu,
Barnewitz! fort, Karl!“
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