einmal -- sondern Deinethalben, weil ich weiß, wie sehr Dich mein Tod schmerzen würde, und auch, weil ich noch gern, bevor ich sterbe, Deine und Helenen's Zukunft gesichert sehen möchte."
Der alte Mann hatte sich wieder gesetzt und aus einer goldenen Dose, die neben ihm auf einem runden Tischchen stand, eine Prise genommen, um die Rüh¬ rung, in die er sich hineingesprochen hatte, schneller zu überkommen; die Baronin nähte wieder eifrig an ihrer Arbeit.
"Du bist so gut," sagte sie, "viel zu gut, denn Du bist es selbst gegen die, welche Deine Güte in keiner Weise verdienen, und Du hast Dir dadurch manche schwere Sorge bereitet, deren Du mit ein wenig mehr -- ich will nicht sagen: Egoismus, denn ich hasse das Wort -- aber mit etwas mehr Discre¬ tion überhoben gewesen wärest. Du bist jetzt für meine und Helenen's Zukunft besorgt, mit Recht be¬ sorgt. Diese Sorge wäre unnöthig, hättest Du nicht, als Du vor vierundzwanzig Jahren das Majorat erbtest, die Güter zu wahren Spottsummen an Leute verpachtet, die jetzt auf Deine Kosten reich geworden sind und noch dazu die Unverschämtheit haben, uns als habsüchtig zu verschreien, weil wir im nächsten Jahre die Contracte nicht unter den alten Bedingun¬
einmal — ſondern Deinethalben, weil ich weiß, wie ſehr Dich mein Tod ſchmerzen würde, und auch, weil ich noch gern, bevor ich ſterbe, Deine und Helenen's Zukunft geſichert ſehen möchte.“
Der alte Mann hatte ſich wieder geſetzt und aus einer goldenen Doſe, die neben ihm auf einem runden Tiſchchen ſtand, eine Priſe genommen, um die Rüh¬ rung, in die er ſich hineingeſprochen hatte, ſchneller zu überkommen; die Baronin nähte wieder eifrig an ihrer Arbeit.
„Du biſt ſo gut,“ ſagte ſie, „viel zu gut, denn Du biſt es ſelbſt gegen die, welche Deine Güte in keiner Weiſe verdienen, und Du haſt Dir dadurch manche ſchwere Sorge bereitet, deren Du mit ein wenig mehr — ich will nicht ſagen: Egoismus, denn ich haſſe das Wort — aber mit etwas mehr Discre¬ tion überhoben geweſen wäreſt. Du biſt jetzt für meine und Helenen's Zukunft beſorgt, mit Recht be¬ ſorgt. Dieſe Sorge wäre unnöthig, hätteſt Du nicht, als Du vor vierundzwanzig Jahren das Majorat erbteſt, die Güter zu wahren Spottſummen an Leute verpachtet, die jetzt auf Deine Koſten reich geworden ſind und noch dazu die Unverſchämtheit haben, uns als habſüchtig zu verſchreien, weil wir im nächſten Jahre die Contracte nicht unter den alten Bedingun¬
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einmal — ſondern Deinethalben, weil ich weiß, wie
ſehr Dich mein Tod ſchmerzen würde, und auch, weil
ich noch gern, bevor ich ſterbe, Deine und Helenen's
Zukunft geſichert ſehen möchte.“
Der alte Mann hatte ſich wieder geſetzt und aus
einer goldenen Doſe, die neben ihm auf einem runden
Tiſchchen ſtand, eine Priſe genommen, um die Rüh¬
rung, in die er ſich hineingeſprochen hatte, ſchneller
zu überkommen; die Baronin nähte wieder eifrig an
ihrer Arbeit.
„Du biſt ſo gut,“ ſagte ſie, „viel zu gut, denn
Du biſt es ſelbſt gegen die, welche Deine Güte in
keiner Weiſe verdienen, und Du haſt Dir dadurch
manche ſchwere Sorge bereitet, deren Du mit ein
wenig mehr — ich will nicht ſagen: Egoismus, denn
ich haſſe das Wort — aber mit etwas mehr Discre¬
tion überhoben geweſen wäreſt. Du biſt jetzt für
meine und Helenen's Zukunft beſorgt, mit Recht be¬
ſorgt. Dieſe Sorge wäre unnöthig, hätteſt Du nicht,
als Du vor vierundzwanzig Jahren das Majorat
erbteſt, die Güter zu wahren Spottſummen an Leute
verpachtet, die jetzt auf Deine Koſten reich geworden
ſind und noch dazu die Unverſchämtheit haben, uns
als habſüchtig zu verſchreien, weil wir im nächſten
Jahre die Contracte nicht unter den alten Bedingun¬
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/146>, abgerufen am 16.02.2025.
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