draußen sind ja verglichen mit denen auf ihrer Stirn in hundert bunten Farnen schimmernde Seifenblasen! Haben Sie je als Junge an einem schönen hellen Sommermorgen in der Bodenluke gesessen und aus einem kleinen Stummel von Tonpfeife bunte Seifen¬ blasen in die blaue Luft hinausgesandt, während unten zwischen den bleiernen Soldaten auf dem großen Tisch in der Kinderstube ein angefangenes lateinisches Exer¬ citium lag, für dessen fragmentarischen Zustand Sie ein paar Stunden darauf von Ihrem Lehrer die schön¬ sten Prügel besahen! Sehen Sie, das ist das Bild des Lebens. Unser Wissen ist Stückwerk, und unsre besten Exercitien bleiben Stückwerk, die buntesten Sei¬ fenblasen zerplatzen, und die derbsten Prügel fühlt man eine Stunde nachher nicht mehr. Es ist Alles eitel, vor allem aber unser Grämen darüber, daß Alles eitel ist. Zum Kukuk! Ich habe die Welt nicht gemacht und Sie, so viel ich weiß, auch nicht. Wes¬ halb sollten wir Beide uns also darüber den Kopf zerbrechen? Ich zerbreche mir über Nichts den Kopf, über gar nichts, zum Beispiel auch nicht über diese Linie, die ich offenbar zu kurz gemessen habe, und die ich nun nach Gutdünken mit Grazie verlängern muß, bis sie diese Ecke hier trifft, -- nebenbei eine höchst romantische Waldecke, wo ich eine allerliebste stumpf¬
draußen ſind ja verglichen mit denen auf ihrer Stirn in hundert bunten Farnen ſchimmernde Seifenblaſen! Haben Sie je als Junge an einem ſchönen hellen Sommermorgen in der Bodenluke geſeſſen und aus einem kleinen Stummel von Tonpfeife bunte Seifen¬ blaſen in die blaue Luft hinausgeſandt, während unten zwiſchen den bleiernen Soldaten auf dem großen Tiſch in der Kinderſtube ein angefangenes lateiniſches Exer¬ citium lag, für deſſen fragmentariſchen Zuſtand Sie ein paar Stunden darauf von Ihrem Lehrer die ſchön¬ ſten Prügel beſahen! Sehen Sie, das iſt das Bild des Lebens. Unſer Wiſſen iſt Stückwerk, und unſre beſten Exercitien bleiben Stückwerk, die bunteſten Sei¬ fenblaſen zerplatzen, und die derbſten Prügel fühlt man eine Stunde nachher nicht mehr. Es iſt Alles eitel, vor allem aber unſer Grämen darüber, daß Alles eitel iſt. Zum Kukuk! Ich habe die Welt nicht gemacht und Sie, ſo viel ich weiß, auch nicht. Wes¬ halb ſollten wir Beide uns alſo darüber den Kopf zerbrechen? Ich zerbreche mir über Nichts den Kopf, über gar nichts, zum Beiſpiel auch nicht über dieſe Linie, die ich offenbar zu kurz gemeſſen habe, und die ich nun nach Gutdünken mit Grazie verlängern muß, bis ſie dieſe Ecke hier trifft, — nebenbei eine höchſt romantiſche Waldecke, wo ich eine allerliebſte ſtumpf¬
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[203/0213]
draußen ſind ja verglichen mit denen auf ihrer Stirn
in hundert bunten Farnen ſchimmernde Seifenblaſen!
Haben Sie je als Junge an einem ſchönen hellen
Sommermorgen in der Bodenluke geſeſſen und aus
einem kleinen Stummel von Tonpfeife bunte Seifen¬
blaſen in die blaue Luft hinausgeſandt, während unten
zwiſchen den bleiernen Soldaten auf dem großen Tiſch
in der Kinderſtube ein angefangenes lateiniſches Exer¬
citium lag, für deſſen fragmentariſchen Zuſtand Sie
ein paar Stunden darauf von Ihrem Lehrer die ſchön¬
ſten Prügel beſahen! Sehen Sie, das iſt das Bild
des Lebens. Unſer Wiſſen iſt Stückwerk, und unſre
beſten Exercitien bleiben Stückwerk, die bunteſten Sei¬
fenblaſen zerplatzen, und die derbſten Prügel fühlt
man eine Stunde nachher nicht mehr. Es iſt Alles
eitel, vor allem aber unſer Grämen darüber, daß
Alles eitel iſt. Zum Kukuk! Ich habe die Welt nicht
gemacht und Sie, ſo viel ich weiß, auch nicht. Wes¬
halb ſollten wir Beide uns alſo darüber den Kopf
zerbrechen? Ich zerbreche mir über Nichts den Kopf,
über gar nichts, zum Beiſpiel auch nicht über dieſe
Linie, die ich offenbar zu kurz gemeſſen habe, und die
ich nun nach Gutdünken mit Grazie verlängern muß,
bis ſie dieſe Ecke hier trifft, — nebenbei eine höchſt
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/213>, abgerufen am 23.11.2024.
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