"Für abergläubische Gemüther keine besondere Empfehlung," sagte Albert, auf einer großen hölzernen Lade im Hintergrunde des Stübchens Platz nehmend, während die alte Frau Oswald in den Lehnstuhl drängte, und sich zu seinen Füßen auf einen niedrigen Schemel setzte; "indessen Ehre, wem Ehre gebührt. Sie nehmen sich auf dem einzigen Prunkmeubel in diesem sonst äußerst prunklosen Gemach ganz famos aus, Dottore, besonders bei dieser Rembrandt'schen Beleuchtung und mit der alten Frau a la Murillo zu Ihren Füßen; wie ein vertriebener König, der bei einer alten Fee im Walde Schutz sucht und findet, während sein getreuer Eckart im Hintergrunde sitzt und nickt. Ich glaube wirklich, das Laufen hat mich müde gemacht, und ich könnte ein paar Minuten schlafen. Wecken Sie mich, Dottore, wenn es wieder aufgehört hat, zu regnen --" und Albert streckte sich der Länge nach auf der Lade aus, legte die Hände unter den Kopf und schien trotz der, für jeden Andern wenigstens, höchst unbequemen Lage nach wenigen Minuten, während dessen nur das monotone Tik-tak der alten Schwarzwälder-Uhr in der Ecke und das Rauschen des noch immer in Strömen herabfallenden Regens die lautlose Stille in dem kleinen Gemache unterbrachen, alles Ernstes eingeschlafen zu sein.
„Für abergläubiſche Gemüther keine beſondere Empfehlung,“ ſagte Albert, auf einer großen hölzernen Lade im Hintergrunde des Stübchens Platz nehmend, während die alte Frau Oswald in den Lehnſtuhl drängte, und ſich zu ſeinen Füßen auf einen niedrigen Schemel ſetzte; „indeſſen Ehre, wem Ehre gebührt. Sie nehmen ſich auf dem einzigen Prunkmeubel in dieſem ſonſt äußerſt prunkloſen Gemach ganz famos aus, Dottore, beſonders bei dieſer Rembrandt'ſchen Beleuchtung und mit der alten Frau à la Murillo zu Ihren Füßen; wie ein vertriebener König, der bei einer alten Fee im Walde Schutz ſucht und findet, während ſein getreuer Eckart im Hintergrunde ſitzt und nickt. Ich glaube wirklich, das Laufen hat mich müde gemacht, und ich könnte ein paar Minuten ſchlafen. Wecken Sie mich, Dottore, wenn es wieder aufgehört hat, zu regnen —“ und Albert ſtreckte ſich der Länge nach auf der Lade aus, legte die Hände unter den Kopf und ſchien trotz der, für jeden Andern wenigſtens, höchſt unbequemen Lage nach wenigen Minuten, während deſſen nur das monotone Tik-tak der alten Schwarzwälder-Uhr in der Ecke und das Rauſchen des noch immer in Strömen herabfallenden Regens die lautloſe Stille in dem kleinen Gemache unterbrachen, alles Ernſtes eingeſchlafen zu ſein.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0231"n="221"/><p>„Für abergläubiſche Gemüther keine beſondere<lb/>
Empfehlung,“ſagte Albert, auf einer großen hölzernen<lb/>
Lade im Hintergrunde des Stübchens Platz nehmend,<lb/>
während die alte Frau Oswald in den Lehnſtuhl<lb/>
drängte, und ſich zu ſeinen Füßen auf einen niedrigen<lb/>
Schemel ſetzte; „indeſſen Ehre, wem Ehre gebührt.<lb/>
Sie nehmen ſich auf dem einzigen Prunkmeubel in<lb/>
dieſem ſonſt äußerſt prunkloſen Gemach ganz famos<lb/>
aus, Dottore, beſonders bei dieſer Rembrandt'ſchen<lb/>
Beleuchtung und mit der alten Frau à <hirendition="#aq">la</hi> Murillo zu<lb/>
Ihren Füßen; wie ein vertriebener König, der bei<lb/>
einer alten Fee im Walde Schutz ſucht und findet,<lb/>
während ſein getreuer Eckart im Hintergrunde ſitzt<lb/>
und nickt. Ich glaube wirklich, das Laufen hat mich<lb/>
müde gemacht, und ich könnte ein paar Minuten<lb/>ſchlafen. Wecken Sie mich, Dottore, wenn es wieder<lb/>
aufgehört hat, zu regnen —“ und Albert ſtreckte ſich<lb/>
der Länge nach auf der Lade aus, legte die Hände<lb/>
unter den Kopf und ſchien trotz der, für jeden Andern<lb/>
wenigſtens, höchſt unbequemen Lage nach wenigen<lb/>
Minuten, während deſſen nur das monotone Tik-tak<lb/>
der alten Schwarzwälder-Uhr in der Ecke und das<lb/>
Rauſchen des noch immer in Strömen herabfallenden<lb/>
Regens die lautloſe Stille in dem kleinen Gemache<lb/>
unterbrachen, alles Ernſtes eingeſchlafen zu ſein.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[221/0231]
„Für abergläubiſche Gemüther keine beſondere
Empfehlung,“ ſagte Albert, auf einer großen hölzernen
Lade im Hintergrunde des Stübchens Platz nehmend,
während die alte Frau Oswald in den Lehnſtuhl
drängte, und ſich zu ſeinen Füßen auf einen niedrigen
Schemel ſetzte; „indeſſen Ehre, wem Ehre gebührt.
Sie nehmen ſich auf dem einzigen Prunkmeubel in
dieſem ſonſt äußerſt prunkloſen Gemach ganz famos
aus, Dottore, beſonders bei dieſer Rembrandt'ſchen
Beleuchtung und mit der alten Frau à la Murillo zu
Ihren Füßen; wie ein vertriebener König, der bei
einer alten Fee im Walde Schutz ſucht und findet,
während ſein getreuer Eckart im Hintergrunde ſitzt
und nickt. Ich glaube wirklich, das Laufen hat mich
müde gemacht, und ich könnte ein paar Minuten
ſchlafen. Wecken Sie mich, Dottore, wenn es wieder
aufgehört hat, zu regnen —“ und Albert ſtreckte ſich
der Länge nach auf der Lade aus, legte die Hände
unter den Kopf und ſchien trotz der, für jeden Andern
wenigſtens, höchſt unbequemen Lage nach wenigen
Minuten, während deſſen nur das monotone Tik-tak
der alten Schwarzwälder-Uhr in der Ecke und das
Rauſchen des noch immer in Strömen herabfallenden
Regens die lautloſe Stille in dem kleinen Gemache
unterbrachen, alles Ernſtes eingeſchlafen zu ſein.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/231>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.