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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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selben Beschaffenheit zog sich um Kinn und Wangen
und Mund, so daß nur die obere Hälfte seines Ge¬
sichts dem Physiognomen zur ungehinderten Beobach¬
tung blieb. Aber auf dieser Hälfte stand schon des
Räthselhaften genug. Die Stirn war eher hoch als
breit, aber von außerordentlich zarten und zugleich
kühnen Linien umschrieben. Ein Paar wie mit dem
Pinsel gezeichnete Brauen zogen sich in einer leichten
Krümmung über einem Paar grauer Augen hin, deren
Ausdruck in diesem Momente wenigstens, wo sie rasch
über die Versammlung flogen, mindestens nicht an¬
genehm war, eben so wenig wie das Lächeln, das
wie Wetterleuchten an der feinen, geraden Nase mit
den beweglichen Flügeln hinzuckte, und des Mannes
ganze Antwort auf das lustige Geschwätz zu sein schien,
mit dem Herr von Barnewitz ihn überschüttete, wäh¬
rend er ihn von der Thür bis zu dem Platze der
Dame vom Hanse auf dem Sopha begleitete. Frau
von Barnewitz erhob sich, den Ankömmling zu be¬
grüßen, der ihr die Hand küßte und nach einer leichten
Verbeugung gegen die anderen Damen sich auf einen
leeren Stuhl neben ihr sinken ließ und alsbald, ohne
die Uebrigen weiter zu beachten, eine lebhafte Unter¬
haltung mit ihr begann.

Oswald hatte den Ankömmling mit dem Auge des

ſelben Beſchaffenheit zog ſich um Kinn und Wangen
und Mund, ſo daß nur die obere Hälfte ſeines Ge¬
ſichts dem Phyſiognomen zur ungehinderten Beobach¬
tung blieb. Aber auf dieſer Hälfte ſtand ſchon des
Räthſelhaften genug. Die Stirn war eher hoch als
breit, aber von außerordentlich zarten und zugleich
kühnen Linien umſchrieben. Ein Paar wie mit dem
Pinſel gezeichnete Brauen zogen ſich in einer leichten
Krümmung über einem Paar grauer Augen hin, deren
Ausdruck in dieſem Momente wenigſtens, wo ſie raſch
über die Verſammlung flogen, mindeſtens nicht an¬
genehm war, eben ſo wenig wie das Lächeln, das
wie Wetterleuchten an der feinen, geraden Naſe mit
den beweglichen Flügeln hinzuckte, und des Mannes
ganze Antwort auf das luſtige Geſchwätz zu ſein ſchien,
mit dem Herr von Barnewitz ihn überſchüttete, wäh¬
rend er ihn von der Thür bis zu dem Platze der
Dame vom Hanſe auf dem Sopha begleitete. Frau
von Barnewitz erhob ſich, den Ankömmling zu be¬
grüßen, der ihr die Hand küßte und nach einer leichten
Verbeugung gegen die anderen Damen ſich auf einen
leeren Stuhl neben ihr ſinken ließ und alsbald, ohne
die Uebrigen weiter zu beachten, eine lebhafte Unter¬
haltung mit ihr begann.

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[21/0031] ſelben Beſchaffenheit zog ſich um Kinn und Wangen und Mund, ſo daß nur die obere Hälfte ſeines Ge¬ ſichts dem Phyſiognomen zur ungehinderten Beobach¬ tung blieb. Aber auf dieſer Hälfte ſtand ſchon des Räthſelhaften genug. Die Stirn war eher hoch als breit, aber von außerordentlich zarten und zugleich kühnen Linien umſchrieben. Ein Paar wie mit dem Pinſel gezeichnete Brauen zogen ſich in einer leichten Krümmung über einem Paar grauer Augen hin, deren Ausdruck in dieſem Momente wenigſtens, wo ſie raſch über die Verſammlung flogen, mindeſtens nicht an¬ genehm war, eben ſo wenig wie das Lächeln, das wie Wetterleuchten an der feinen, geraden Naſe mit den beweglichen Flügeln hinzuckte, und des Mannes ganze Antwort auf das luſtige Geſchwätz zu ſein ſchien, mit dem Herr von Barnewitz ihn überſchüttete, wäh¬ rend er ihn von der Thür bis zu dem Platze der Dame vom Hanſe auf dem Sopha begleitete. Frau von Barnewitz erhob ſich, den Ankömmling zu be¬ grüßen, der ihr die Hand küßte und nach einer leichten Verbeugung gegen die anderen Damen ſich auf einen leeren Stuhl neben ihr ſinken ließ und alsbald, ohne die Uebrigen weiter zu beachten, eine lebhafte Unter¬ haltung mit ihr begann. Oswald hatte den Ankömmling mit dem Auge des

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/31>, abgerufen am 21.11.2024.