ganze Saal mit Licht und Rosen angefüllt. Melitta trug ein weißes Kleid, das Busen und Schultern züchtig verhüllte, und den schlanken, schönen Hals in einer leichten Krause umschloß. Ein Shawl lag leicht auf den runden Schultern. Eine dunkelrothe Camelie im Haar, das war ihr ganzer Schmuck. Aber welches Schmuckes bedarf Schönheit und Anmuth -- und Melitta's Erscheinung war so schön und anmuthig, daß ihr Eintreten eine noch größere Sensation erregte, als Oldenburg's. Die älteren Herren unterbrachen ihr Gespräch, sie mit Herzlichkeit zu begrüßen; einige jüngere Herren eilten ihr entgegen, um womöglich den zweiten Walzer, die erste Polka -- nur einen Tanz, gleich viel welchen, zu erbetteln, und sie lächelte Alt und Jung freundlich zu, beantwortete hier eine Frage, verwies dort einen Stürmischen zur Geduld -- während sie quer durch den Saal nach dem Sopha ging, sich den andern Damen anzuschließen. Baron Oldenburg war, als Frau von Barnewitz aufstand, ihrer Cousine entgegenzugehen, ruhig, und ohne sich nach dem Gegenstand der allgemeinen Sensation umzu¬ sehen, den einen Arm über die Stuhllehne gelegt, sitzen geblieben. Da mußte Melitta's Name, von einer der Damen am Sopha ausgesprochen, sein Ohr getroffen haben; denn er sprang in die Höhe, wandte sich um
ganze Saal mit Licht und Roſen angefüllt. Melitta trug ein weißes Kleid, das Buſen und Schultern züchtig verhüllte, und den ſchlanken, ſchönen Hals in einer leichten Krauſe umſchloß. Ein Shawl lag leicht auf den runden Schultern. Eine dunkelrothe Camelie im Haar, das war ihr ganzer Schmuck. Aber welches Schmuckes bedarf Schönheit und Anmuth — und Melitta's Erſcheinung war ſo ſchön und anmuthig, daß ihr Eintreten eine noch größere Senſation erregte, als Oldenburg's. Die älteren Herren unterbrachen ihr Geſpräch, ſie mit Herzlichkeit zu begrüßen; einige jüngere Herren eilten ihr entgegen, um womöglich den zweiten Walzer, die erſte Polka — nur einen Tanz, gleich viel welchen, zu erbetteln, und ſie lächelte Alt und Jung freundlich zu, beantwortete hier eine Frage, verwies dort einen Stürmiſchen zur Geduld — während ſie quer durch den Saal nach dem Sopha ging, ſich den andern Damen anzuſchließen. Baron Oldenburg war, als Frau von Barnewitz aufſtand, ihrer Couſine entgegenzugehen, ruhig, und ohne ſich nach dem Gegenſtand der allgemeinen Senſation umzu¬ ſehen, den einen Arm über die Stuhllehne gelegt, ſitzen geblieben. Da mußte Melitta's Name, von einer der Damen am Sopha ausgeſprochen, ſein Ohr getroffen haben; denn er ſprang in die Höhe, wandte ſich um
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ganze Saal mit Licht und Roſen angefüllt. Melitta
trug ein weißes Kleid, das Buſen und Schultern
züchtig verhüllte, und den ſchlanken, ſchönen Hals in
einer leichten Krauſe umſchloß. Ein Shawl lag leicht
auf den runden Schultern. Eine dunkelrothe Camelie
im Haar, das war ihr ganzer Schmuck. Aber welches
Schmuckes bedarf Schönheit und Anmuth — und
Melitta's Erſcheinung war ſo ſchön und anmuthig,
daß ihr Eintreten eine noch größere Senſation erregte,
als Oldenburg's. Die älteren Herren unterbrachen
ihr Geſpräch, ſie mit Herzlichkeit zu begrüßen; einige
jüngere Herren eilten ihr entgegen, um womöglich
den zweiten Walzer, die erſte Polka — nur einen
Tanz, gleich viel welchen, zu erbetteln, und ſie lächelte
Alt und Jung freundlich zu, beantwortete hier eine
Frage, verwies dort einen Stürmiſchen zur Geduld —
während ſie quer durch den Saal nach dem Sopha
ging, ſich den andern Damen anzuſchließen. Baron
Oldenburg war, als Frau von Barnewitz aufſtand,
ihrer Couſine entgegenzugehen, ruhig, und ohne ſich
nach dem Gegenſtand der allgemeinen Senſation umzu¬
ſehen, den einen Arm über die Stuhllehne gelegt, ſitzen
geblieben. Da mußte Melitta's Name, von einer der
Damen am Sopha ausgeſprochen, ſein Ohr getroffen
haben; denn er ſprang in die Höhe, wandte ſich um
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/33>, abgerufen am 23.11.2024.
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