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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

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"Famos," sagte von Cloten; "was sagte sie?"

"Mein lieber Herr," sagte sie, "Sie scheeren sich
entweder den Bart, oder Sie scheeren sich zum Teufel."

"Verdammt; und Sie?"

"Ich sagte: Fräulein, ich habe geschworen, daß
ich das Weib verachten und mit dem Mann auf Leben
und Tod kämpfen will, der mir mit Worten oder in
Wirklichkeit an meinem Barte zupft."

"Merkwürdig; das Alles sagten Sie in den drei
Worten?"

"Ja, die englische Sprache, wissen Sie, ist wun¬
derbar kurz. Apropos, wer ist denn der junge Mann,
mit dem Sie vorhin sprachen, er steht jetzt dort an der
Thür zum andern Zimmer mit dem alten Grenwitz."

"Ja, rathen Sie einmal!"

"Wie kann ich das rathen? Ich vermuthe, daß
es Felix von Grenwitz, sein Neffe, ist."

"So dachte auch ich. Und nun denken Sie, cher
Baron
, der Mensch ist ein Bürgerlicher, heißt Stein,
Doctor Stein, glaube ich, und ist, nun rathen Sie
einmal!"

"Nach dem Entsetzen, das sich in Ihren Zügen
malt, zu schließen, vermuthe ich, daß der junge Mann
der Scharfrichter von Bergen ist."

"Scharfrichter! Quelle idee! Welch' sonderbare

„Famos,“ ſagte von Cloten; „was ſagte ſie?“

„Mein lieber Herr,“ ſagte ſie, „Sie ſcheeren ſich
entweder den Bart, oder Sie ſcheeren ſich zum Teufel.“

„Verdammt; und Sie?“

„Ich ſagte: Fräulein, ich habe geſchworen, daß
ich das Weib verachten und mit dem Mann auf Leben
und Tod kämpfen will, der mir mit Worten oder in
Wirklichkeit an meinem Barte zupft.“

„Merkwürdig; das Alles ſagten Sie in den drei
Worten?“

„Ja, die engliſche Sprache, wiſſen Sie, iſt wun¬
derbar kurz. Apropos, wer iſt denn der junge Mann,
mit dem Sie vorhin ſprachen, er ſteht jetzt dort an der
Thür zum andern Zimmer mit dem alten Grenwitz.“

„Ja, rathen Sie einmal!“

„Wie kann ich das rathen? Ich vermuthe, daß
es Felix von Grenwitz, ſein Neffe, iſt.“

„So dachte auch ich. Und nun denken Sie, cher
Baron
, der Menſch iſt ein Bürgerlicher, heißt Stein,
Doctor Stein, glaube ich, und iſt, nun rathen Sie
einmal!“

„Nach dem Entſetzen, das ſich in Ihren Zügen
malt, zu ſchließen, vermuthe ich, daß der junge Mann
der Scharfrichter von Bergen iſt.“

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[30/0040] „Famos,“ ſagte von Cloten; „was ſagte ſie?“ „Mein lieber Herr,“ ſagte ſie, „Sie ſcheeren ſich entweder den Bart, oder Sie ſcheeren ſich zum Teufel.“ „Verdammt; und Sie?“ „Ich ſagte: Fräulein, ich habe geſchworen, daß ich das Weib verachten und mit dem Mann auf Leben und Tod kämpfen will, der mir mit Worten oder in Wirklichkeit an meinem Barte zupft.“ „Merkwürdig; das Alles ſagten Sie in den drei Worten?“ „Ja, die engliſche Sprache, wiſſen Sie, iſt wun¬ derbar kurz. Apropos, wer iſt denn der junge Mann, mit dem Sie vorhin ſprachen, er ſteht jetzt dort an der Thür zum andern Zimmer mit dem alten Grenwitz.“ „Ja, rathen Sie einmal!“ „Wie kann ich das rathen? Ich vermuthe, daß es Felix von Grenwitz, ſein Neffe, iſt.“ „So dachte auch ich. Und nun denken Sie, cher Baron, der Menſch iſt ein Bürgerlicher, heißt Stein, Doctor Stein, glaube ich, und iſt, nun rathen Sie einmal!“ „Nach dem Entſetzen, das ſich in Ihren Zügen malt, zu ſchließen, vermuthe ich, daß der junge Mann der Scharfrichter von Bergen iſt.“ „Scharfrichter! Quelle idée! Welch' ſonderbare

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/40>, abgerufen am 21.11.2024.