entschlafenen Zweifel furchtbar geweckt. Wieder drängte sich das Wort auf seine Lippen, und immer wieder kroch es scheu zum Herzen zurück. Er zürnte Melitta, daß sie ihn diese Qualen dulden ließ; er zürnte sich selbst, daß er sich von der Geliebten hatte bestimmen lassen, ihr in diese Gesellschaft zu folgen, diese Junker¬ welt, in die er nicht gehörte, in welcher er sich nur geduldet wußte, in diese Welt frivolen Genusses und hochmüthigen Dünkels, diese lärmende blendende Welt, die so grausam mit der Romantik seiner Liebe con¬ trastirte, und der wonnigen, liebeverklärten Waldein¬ samkeit von Melitta's Kapelle Hohn zu sprechen schien. Es kam ihm wie ein halb verklungenes Märchen vor, daß dies wunderbare Weib in seinen Armen geruht, daß er -- wie oft schon! seinen Mund auf diese ro¬ sigen Lippen gedrückt hatte. Sie erschien ihm so fremd, so ganz verwandelt; er konnte sich nicht überreden, daß dies Melitta sei, seine Melitta, sie, die dort mit dem jungen Breesen lachte und schwatzte, die dort die faden Complimente von Cloten's mit so huldvoller Miene beantwortete -- und dann wieder, wenn ihr leuchtendes Auge das seine traf, wenn ihre Hand bei den Touren des Contretanzes seine Hand so traulich drückte, wenn bei dieser Gelegenheit ein: süßes Herz! Du Lieber! -- ihm nur vernehmbar geflüstert, sein
entſchlafenen Zweifel furchtbar geweckt. Wieder drängte ſich das Wort auf ſeine Lippen, und immer wieder kroch es ſcheu zum Herzen zurück. Er zürnte Melitta, daß ſie ihn dieſe Qualen dulden ließ; er zürnte ſich ſelbſt, daß er ſich von der Geliebten hatte beſtimmen laſſen, ihr in dieſe Geſellſchaft zu folgen, dieſe Junker¬ welt, in die er nicht gehörte, in welcher er ſich nur geduldet wußte, in dieſe Welt frivolen Genuſſes und hochmüthigen Dünkels, dieſe lärmende blendende Welt, die ſo grauſam mit der Romantik ſeiner Liebe con¬ traſtirte, und der wonnigen, liebeverklärten Waldein¬ ſamkeit von Melitta's Kapelle Hohn zu ſprechen ſchien. Es kam ihm wie ein halb verklungenes Märchen vor, daß dies wunderbare Weib in ſeinen Armen geruht, daß er — wie oft ſchon! ſeinen Mund auf dieſe ro¬ ſigen Lippen gedrückt hatte. Sie erſchien ihm ſo fremd, ſo ganz verwandelt; er konnte ſich nicht überreden, daß dies Melitta ſei, ſeine Melitta, ſie, die dort mit dem jungen Breeſen lachte und ſchwatzte, die dort die faden Complimente von Cloten's mit ſo huldvoller Miene beantwortete — und dann wieder, wenn ihr leuchtendes Auge das ſeine traf, wenn ihre Hand bei den Touren des Contretanzes ſeine Hand ſo traulich drückte, wenn bei dieſer Gelegenheit ein: ſüßes Herz! Du Lieber! — ihm nur vernehmbar geflüſtert, ſein
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entſchlafenen Zweifel furchtbar geweckt. Wieder drängte
ſich das Wort auf ſeine Lippen, und immer wieder
kroch es ſcheu zum Herzen zurück. Er zürnte Melitta,
daß ſie ihn dieſe Qualen dulden ließ; er zürnte ſich
ſelbſt, daß er ſich von der Geliebten hatte beſtimmen
laſſen, ihr in dieſe Geſellſchaft zu folgen, dieſe Junker¬
welt, in die er nicht gehörte, in welcher er ſich nur
geduldet wußte, in dieſe Welt frivolen Genuſſes und
hochmüthigen Dünkels, dieſe lärmende blendende Welt,
die ſo grauſam mit der Romantik ſeiner Liebe con¬
traſtirte, und der wonnigen, liebeverklärten Waldein¬
ſamkeit von Melitta's Kapelle Hohn zu ſprechen ſchien.
Es kam ihm wie ein halb verklungenes Märchen vor,
daß dies wunderbare Weib in ſeinen Armen geruht,
daß er — wie oft ſchon! ſeinen Mund auf dieſe ro¬
ſigen Lippen gedrückt hatte. Sie erſchien ihm ſo fremd,
ſo ganz verwandelt; er konnte ſich nicht überreden,
daß dies Melitta ſei, ſeine Melitta, ſie, die dort mit
dem jungen Breeſen lachte und ſchwatzte, die dort die
faden Complimente von Cloten's mit ſo huldvoller
Miene beantwortete — und dann wieder, wenn ihr
leuchtendes Auge das ſeine traf, wenn ihre Hand bei
den Touren des Contretanzes ſeine Hand ſo traulich
drückte, wenn bei dieſer Gelegenheit ein: ſüßes Herz!
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/69>, abgerufen am 23.11.2024.
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