goldene Wort diesmal auf ganz unfruchtbaren Boden, und die hübsche Kleine beruhigte ihr aufgeschrecktes adliges Gewissen mit dem tröstlichen Gedanken: es ist ja nur für heute Abend . . . Es steht sehr zu vermuthen, daß das Glück, welches Oswald an diesem Abend bei den Damen machte, mehr als ein junker¬ liches Gemüth auf das Tiefste indignirte; aber der Ausdruck dieser feindseligen Stimmung beschränkte sich auf einige höhnische Worte, von denen aber keins bis zu Oswalds Ohr drang, und auf einige ärgerliche Blicke, die, wenn er sie bemerkte, nur zu Erhöhung seiner tollen Laune beitrugen. Daß er sich auf einem sehr glatten Boden bewegte, wußte er sehr gut; aber die Nähe der Gefahr, welche die schwachen Geister lähmt, läßt starke Herzen nur desto muthiger pochen; und das Bewußtsein, wie er sich jeden Augenblick einer impertinenten Beleidigung versehen könne, gab seinem Benehmen den Junkern gegenüber eine Kühn¬ heit, seinem Auftreten eine Sicherheit, die, wenn sie einerseits den Unwillen dieser Herren herausforderte, andererseits für sie die Kluft zwischen Wollen und Vollbringen geradezu unübersteiglich machte. Und übrigens muß zur Ehre dieser jungen Adligen be¬ merkt werden, daß sich in einer Schaar von zwölf oder vierzehn denn doch zwei oder drei fanden, welche
goldene Wort diesmal auf ganz unfruchtbaren Boden, und die hübſche Kleine beruhigte ihr aufgeſchrecktes adliges Gewiſſen mit dem tröſtlichen Gedanken: es iſt ja nur für heute Abend . . . Es ſteht ſehr zu vermuthen, daß das Glück, welches Oswald an dieſem Abend bei den Damen machte, mehr als ein junker¬ liches Gemüth auf das Tiefſte indignirte; aber der Ausdruck dieſer feindſeligen Stimmung beſchränkte ſich auf einige höhniſche Worte, von denen aber keins bis zu Oswalds Ohr drang, und auf einige ärgerliche Blicke, die, wenn er ſie bemerkte, nur zu Erhöhung ſeiner tollen Laune beitrugen. Daß er ſich auf einem ſehr glatten Boden bewegte, wußte er ſehr gut; aber die Nähe der Gefahr, welche die ſchwachen Geiſter lähmt, läßt ſtarke Herzen nur deſto muthiger pochen; und das Bewußtſein, wie er ſich jeden Augenblick einer impertinenten Beleidigung verſehen könne, gab ſeinem Benehmen den Junkern gegenüber eine Kühn¬ heit, ſeinem Auftreten eine Sicherheit, die, wenn ſie einerſeits den Unwillen dieſer Herren herausforderte, andererſeits für ſie die Kluft zwiſchen Wollen und Vollbringen geradezu unüberſteiglich machte. Und übrigens muß zur Ehre dieſer jungen Adligen be¬ merkt werden, daß ſich in einer Schaar von zwölf oder vierzehn denn doch zwei oder drei fanden, welche
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goldene Wort diesmal auf ganz unfruchtbaren Boden,
und die hübſche Kleine beruhigte ihr aufgeſchrecktes
adliges Gewiſſen mit dem tröſtlichen Gedanken: es
iſt ja nur für heute Abend . . . Es ſteht ſehr zu
vermuthen, daß das Glück, welches Oswald an dieſem
Abend bei den Damen machte, mehr als ein junker¬
liches Gemüth auf das Tiefſte indignirte; aber der
Ausdruck dieſer feindſeligen Stimmung beſchränkte ſich
auf einige höhniſche Worte, von denen aber keins bis
zu Oswalds Ohr drang, und auf einige ärgerliche
Blicke, die, wenn er ſie bemerkte, nur zu Erhöhung
ſeiner tollen Laune beitrugen. Daß er ſich auf einem
ſehr glatten Boden bewegte, wußte er ſehr gut; aber
die Nähe der Gefahr, welche die ſchwachen Geiſter
lähmt, läßt ſtarke Herzen nur deſto muthiger pochen;
und das Bewußtſein, wie er ſich jeden Augenblick
einer impertinenten Beleidigung verſehen könne, gab
ſeinem Benehmen den Junkern gegenüber eine Kühn¬
heit, ſeinem Auftreten eine Sicherheit, die, wenn ſie
einerſeits den Unwillen dieſer Herren herausforderte,
andererſeits für ſie die Kluft zwiſchen Wollen und
Vollbringen geradezu unüberſteiglich machte. Und
übrigens muß zur Ehre dieſer jungen Adligen be¬
merkt werden, daß ſich in einer Schaar von zwölf
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/71>, abgerufen am 23.11.2024.
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