Je mehr sich die Mahlzeit ihrem Ende nahte, und je schneller sich die von den Bedienten stets wieder ge¬ füllten Champagnergläser leerten, desto lärmender und wüster wurde die Unterhaltung, so daß selbst die Stimme des Grafen Grieben, die man bisher wie das Kreischen eines großen Papagei's in einer Me¬ nagerie immer durchgehört hatte, übertönt wurde. Der dünne Firniß äußerlicher Cultur, aus welchem die ganze sogenannte Bildung dieser bevorrechtigten Klasse bestand, begann von den Strömen Weines, die unaufhörlich flossen, in einer erschreckenden Weise her¬ untergespült zu werden, und die nackte, trostlos dürf¬ tige Natur kam überall zum Vorschein. Die jungen Herren erzählten den jungen Damen ihre Abenteuer auf der Jagd, bei den Pferderennen, ihre Heldenthaten während ihrer militairischen Dienstzeit, oder gefielen sich in Unterhaltungen, die scherzhaft und galant sein sollten, und die für jedes feinere weibliche Gemüth einfach plump und zweideutig waren. Indessen schienen die jungen Damen leider an diese Sorte Unterhaltung viel zu sehr gewöhnt zu sein, als daß dieselbe irgend einen unangenehmen Eindruck auf sie hätte hervor¬ bringen können. Im Gegentheil, sie ließen sich ein Glas Champagner nach dem andern aufnöthigen, sie wollten sich todtlachen über die reizenden Einfälle der
Je mehr ſich die Mahlzeit ihrem Ende nahte, und je ſchneller ſich die von den Bedienten ſtets wieder ge¬ füllten Champagnergläſer leerten, deſto lärmender und wüſter wurde die Unterhaltung, ſo daß ſelbſt die Stimme des Grafen Grieben, die man bisher wie das Kreiſchen eines großen Papagei's in einer Me¬ nagerie immer durchgehört hatte, übertönt wurde. Der dünne Firniß äußerlicher Cultur, aus welchem die ganze ſogenannte Bildung dieſer bevorrechtigten Klaſſe beſtand, begann von den Strömen Weines, die unaufhörlich floſſen, in einer erſchreckenden Weiſe her¬ untergeſpült zu werden, und die nackte, troſtlos dürf¬ tige Natur kam überall zum Vorſchein. Die jungen Herren erzählten den jungen Damen ihre Abenteuer auf der Jagd, bei den Pferderennen, ihre Heldenthaten während ihrer militairiſchen Dienſtzeit, oder gefielen ſich in Unterhaltungen, die ſcherzhaft und galant ſein ſollten, und die für jedes feinere weibliche Gemüth einfach plump und zweideutig waren. Indeſſen ſchienen die jungen Damen leider an dieſe Sorte Unterhaltung viel zu ſehr gewöhnt zu ſein, als daß dieſelbe irgend einen unangenehmen Eindruck auf ſie hätte hervor¬ bringen können. Im Gegentheil, ſie ließen ſich ein Glas Champagner nach dem andern aufnöthigen, ſie wollten ſich todtlachen über die reizenden Einfälle der
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Je mehr ſich die Mahlzeit ihrem Ende nahte, und
je ſchneller ſich die von den Bedienten ſtets wieder ge¬
füllten Champagnergläſer leerten, deſto lärmender und
wüſter wurde die Unterhaltung, ſo daß ſelbſt die
Stimme des Grafen Grieben, die man bisher wie
das Kreiſchen eines großen Papagei's in einer Me¬
nagerie immer durchgehört hatte, übertönt wurde.
Der dünne Firniß äußerlicher Cultur, aus welchem
die ganze ſogenannte Bildung dieſer bevorrechtigten
Klaſſe beſtand, begann von den Strömen Weines, die
unaufhörlich floſſen, in einer erſchreckenden Weiſe her¬
untergeſpült zu werden, und die nackte, troſtlos dürf¬
tige Natur kam überall zum Vorſchein. Die jungen
Herren erzählten den jungen Damen ihre Abenteuer
auf der Jagd, bei den Pferderennen, ihre Heldenthaten
während ihrer militairiſchen Dienſtzeit, oder gefielen
ſich in Unterhaltungen, die ſcherzhaft und galant ſein
ſollten, und die für jedes feinere weibliche Gemüth
einfach plump und zweideutig waren. Indeſſen ſchienen
die jungen Damen leider an dieſe Sorte Unterhaltung
viel zu ſehr gewöhnt zu ſein, als daß dieſelbe irgend
einen unangenehmen Eindruck auf ſie hätte hervor¬
bringen können. Im Gegentheil, ſie ließen ſich ein
Glas Champagner nach dem andern aufnöthigen, ſie
wollten ſich todtlachen über die reizenden Einfälle der
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/85>, abgerufen am 23.11.2024.
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