Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.Tanzes nach Herrn und Frau von Grenwitz umgesehen, Und immer nächtiger wurde es in seiner Seele. Tanzes nach Herrn und Frau von Grenwitz umgeſehen, Und immer nächtiger wurde es in ſeiner Seele. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="82"/> Tanzes nach Herrn und Frau von Grenwitz umgeſehen,<lb/> denn er hatte nicht bemerkt und erfuhr erſt jetzt, daß<lb/> dieſe die Geſellſchaft ſchon vor dem Abendeſſen ver¬<lb/> laſſen hatten, und daß der Wagen wiederkommen<lb/> würde, ihn abzuholen. Er hatte Melitta, da ſie nicht<lb/> in dem Ballſaal erſchienen war, in einem der andern<lb/> Zimmer vermuthet. Ein Diener, der mit einem Prä¬<lb/> ſentirbrette voll Weingläſern an ihm vorübereilte,<lb/> antwortete auf ſeine Frage, ob er Frau von Berkow<lb/> nicht geſehen habe? „die gnädige Frau iſt ſoeben fort¬<lb/> gefahren. Befehlen Limonade oder Champagner?“<lb/> Oswald nahm ein Glas Wein und leerte es auf einen<lb/> Zug. „Fortgefahren — ohne Abſchied! Vortrefflich,“<lb/> murmelte er, indem er ſich in den Ballſaal zurückbegab.</p><lb/> <p>Und immer nächtiger wurde es in ſeiner Seele.<lb/> Jetzt zürnte er nicht mit ſich, daß er die Geliebte ſo<lb/> ſchnöde gekränkt und ſie ſo gekränkt hatte ziehen laſſen,<lb/> ſondern ihr, daß ſie fortgegangen war, ohne ihm<lb/> Gelegenheit zu geben, ſie um Verzeihung zu bitten.<lb/> Ihm war zu Muthe, wie einer Seele zu Muthe ſein<lb/> könnte, die in ihren Sünden zur Hölle gefahren iſt,<lb/> weil ſie des Prieſters Abſolution verſchmähte, und die<lb/> nun gegen ſich ſelbſt und gegen den unſchuldigen<lb/> Prieſter wüthet. Tolle Gedanken wirbelten durch ſein<lb/> überreiztes Gehirn — es wäre ihm eine Wolluſt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0092]
Tanzes nach Herrn und Frau von Grenwitz umgeſehen,
denn er hatte nicht bemerkt und erfuhr erſt jetzt, daß
dieſe die Geſellſchaft ſchon vor dem Abendeſſen ver¬
laſſen hatten, und daß der Wagen wiederkommen
würde, ihn abzuholen. Er hatte Melitta, da ſie nicht
in dem Ballſaal erſchienen war, in einem der andern
Zimmer vermuthet. Ein Diener, der mit einem Prä¬
ſentirbrette voll Weingläſern an ihm vorübereilte,
antwortete auf ſeine Frage, ob er Frau von Berkow
nicht geſehen habe? „die gnädige Frau iſt ſoeben fort¬
gefahren. Befehlen Limonade oder Champagner?“
Oswald nahm ein Glas Wein und leerte es auf einen
Zug. „Fortgefahren — ohne Abſchied! Vortrefflich,“
murmelte er, indem er ſich in den Ballſaal zurückbegab.
Und immer nächtiger wurde es in ſeiner Seele.
Jetzt zürnte er nicht mit ſich, daß er die Geliebte ſo
ſchnöde gekränkt und ſie ſo gekränkt hatte ziehen laſſen,
ſondern ihr, daß ſie fortgegangen war, ohne ihm
Gelegenheit zu geben, ſie um Verzeihung zu bitten.
Ihm war zu Muthe, wie einer Seele zu Muthe ſein
könnte, die in ihren Sünden zur Hölle gefahren iſt,
weil ſie des Prieſters Abſolution verſchmähte, und die
nun gegen ſich ſelbſt und gegen den unſchuldigen
Prieſter wüthet. Tolle Gedanken wirbelten durch ſein
überreiztes Gehirn — es wäre ihm eine Wolluſt
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