Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.setzten Seite an den Ballsaal stieß und in welchen er Ein Knabe, der mit seinem Schwesterchen gespielt ſetzten Seite an den Ballſaal ſtieß und in welchen er Ein Knabe, der mit ſeinem Schweſterchen geſpielt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0095" n="85"/> ſetzten Seite an den Ballſaal ſtieß und in welchen er<lb/> bis jetzt noch nicht geweſen war. Nur hier und da<lb/> brannte noch ein halb verlöſchendes Licht auf einem<lb/> Wandleuchter oder vor einem Spiegel, und zeigte ihm<lb/> wie in einem böſen Traum ein altes verbräuntes Fa¬<lb/> milienportrait oder ſein eigenes bleiches Geſicht. Die<lb/> Stühle ſtanden wirr durcheinander. Die Fenſter waren<lb/> mit Vorhängen verhüllt. Durch die Spalten ſchim¬<lb/> merte der Mond, der jetzt aufgegangen war, herein<lb/> und zeichnete hier und da einen hellen Streifen auf<lb/> die Teppiche des Fußbodens, Oswald trat, um friſche<lb/> Luft zu ſchöpfen, an eins dieſer Fenſter. Als er den<lb/> dunkelrothen, ſchweren Vorhang zurückſchlug, fuhr eine<lb/> weiße Geſtalt, die in der tiefen Niſche des Fenſters<lb/> auf einem niedrigen Rohrſeſſel geſeſſen und den Kopf<lb/> in die Hand geſtützt hatte, ſcheu empor und ſtieß einen<lb/> leiſen Schrei der Ueberraſchung aus. Oswald wollte<lb/> den Vorhang wieder fallen laſſen und ſich zurückziehen,<lb/> als die Geſtalt einen Schritt auf ihn zutrat und die<lb/> Hand nach ihm ausſtreckte. . . Und ein Paar weiche<lb/> Arme umſchlangen ihn und ein knospender Buſen wogte<lb/> ſtürmiſch an ſeiner Bruſt; zwei glühende Lippen pre߬<lb/> ten ſich auf ſeinen Mund, und eine leiſe Stimme<lb/> hauchte: „Oswald, o mein Gott, Oswald!“</p><lb/> <p>Ein Knabe, der mit ſeinem Schweſterchen geſpielt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [85/0095]
ſetzten Seite an den Ballſaal ſtieß und in welchen er
bis jetzt noch nicht geweſen war. Nur hier und da
brannte noch ein halb verlöſchendes Licht auf einem
Wandleuchter oder vor einem Spiegel, und zeigte ihm
wie in einem böſen Traum ein altes verbräuntes Fa¬
milienportrait oder ſein eigenes bleiches Geſicht. Die
Stühle ſtanden wirr durcheinander. Die Fenſter waren
mit Vorhängen verhüllt. Durch die Spalten ſchim¬
merte der Mond, der jetzt aufgegangen war, herein
und zeichnete hier und da einen hellen Streifen auf
die Teppiche des Fußbodens, Oswald trat, um friſche
Luft zu ſchöpfen, an eins dieſer Fenſter. Als er den
dunkelrothen, ſchweren Vorhang zurückſchlug, fuhr eine
weiße Geſtalt, die in der tiefen Niſche des Fenſters
auf einem niedrigen Rohrſeſſel geſeſſen und den Kopf
in die Hand geſtützt hatte, ſcheu empor und ſtieß einen
leiſen Schrei der Ueberraſchung aus. Oswald wollte
den Vorhang wieder fallen laſſen und ſich zurückziehen,
als die Geſtalt einen Schritt auf ihn zutrat und die
Hand nach ihm ausſtreckte. . . Und ein Paar weiche
Arme umſchlangen ihn und ein knospender Buſen wogte
ſtürmiſch an ſeiner Bruſt; zwei glühende Lippen pre߬
ten ſich auf ſeinen Mund, und eine leiſe Stimme
hauchte: „Oswald, o mein Gott, Oswald!“
Ein Knabe, der mit ſeinem Schweſterchen geſpielt
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