so natürlich. Und auch jetzt, wo durch Melitta's Reise und durch den wahrscheinlichen Tod des Herrn von Berkow die Gegenwart und die Zukunft gleich dunkel und verworren schien, konnte er sich unmöglich über einen Punkt entscheiden, der für Melitta nicht weniger wichtig war, als für ihn selbst. Und dann, ganz abgesehen von seinem Verhältniß zu Melitta, hatte er so gar keinen ostensibeln Grund, die Stel¬ lung, zu der er sich auf mehre Jahre verpflichtet hatte, aufzugeben, daß er einen Bruch hätte gewalt¬ sam herbeiführen müssen. Ein solcher Staatsstreich aber würde zu jeder Zeit für Oswald's Hamlet-Natur etwas Peinliches und Widerliches gehabt haben, und jetzt, wo die Baronin, gegen die er sich doch in einem solchen Falle wenden mußte, sich offenbar bemühte, mit ihm, ebenso wie mit aller Welt, in Frieden und Freundschaft zu leben, fehlte es ihm sogar an dem Allerwichtigsten, an einem Gegner, welcher den von ihm hingeschleuderten Fehdehandschuh hätte aufnehmen können und mögen.
Ueberdies hatte er noch ganz kürzlich der Baronin den Gang des Unterrichts der Knaben bis zu der Zeit, wo er mit ihnen die projectirte große Reise durch Deutschland, England, Frankreich, vielleicht auch Ita¬ lien antreten würde, ausführlich geschildert, mit einem
ſo natürlich. Und auch jetzt, wo durch Melitta's Reiſe und durch den wahrſcheinlichen Tod des Herrn von Berkow die Gegenwart und die Zukunft gleich dunkel und verworren ſchien, konnte er ſich unmöglich über einen Punkt entſcheiden, der für Melitta nicht weniger wichtig war, als für ihn ſelbſt. Und dann, ganz abgeſehen von ſeinem Verhältniß zu Melitta, hatte er ſo gar keinen oſtenſibeln Grund, die Stel¬ lung, zu der er ſich auf mehre Jahre verpflichtet hatte, aufzugeben, daß er einen Bruch hätte gewalt¬ ſam herbeiführen müſſen. Ein ſolcher Staatsſtreich aber würde zu jeder Zeit für Oswald's Hamlet-Natur etwas Peinliches und Widerliches gehabt haben, und jetzt, wo die Baronin, gegen die er ſich doch in einem ſolchen Falle wenden mußte, ſich offenbar bemühte, mit ihm, ebenſo wie mit aller Welt, in Frieden und Freundſchaft zu leben, fehlte es ihm ſogar an dem Allerwichtigſten, an einem Gegner, welcher den von ihm hingeſchleuderten Fehdehandſchuh hätte aufnehmen können und mögen.
Ueberdies hatte er noch ganz kürzlich der Baronin den Gang des Unterrichts der Knaben bis zu der Zeit, wo er mit ihnen die projectirte große Reiſe durch Deutſchland, England, Frankreich, vielleicht auch Ita¬ lien antreten würde, ausführlich geſchildert, mit einem
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ſo natürlich. Und auch jetzt, wo durch Melitta's
Reiſe und durch den wahrſcheinlichen Tod des Herrn
von Berkow die Gegenwart und die Zukunft gleich
dunkel und verworren ſchien, konnte er ſich unmöglich
über einen Punkt entſcheiden, der für Melitta nicht
weniger wichtig war, als für ihn ſelbſt. Und dann,
ganz abgeſehen von ſeinem Verhältniß zu Melitta,
hatte er ſo gar keinen oſtenſibeln Grund, die Stel¬
lung, zu der er ſich auf mehre Jahre verpflichtet
hatte, aufzugeben, daß er einen Bruch hätte gewalt¬
ſam herbeiführen müſſen. Ein ſolcher Staatsſtreich
aber würde zu jeder Zeit für Oswald's Hamlet-Natur
etwas Peinliches und Widerliches gehabt haben, und
jetzt, wo die Baronin, gegen die er ſich doch in einem
ſolchen Falle wenden mußte, ſich offenbar bemühte,
mit ihm, ebenſo wie mit aller Welt, in Frieden und
Freundſchaft zu leben, fehlte es ihm ſogar an dem
Allerwichtigſten, an einem Gegner, welcher den von
ihm hingeſchleuderten Fehdehandſchuh hätte aufnehmen
können und mögen.
Ueberdies hatte er noch ganz kürzlich der Baronin
den Gang des Unterrichts der Knaben bis zu der Zeit,
wo er mit ihnen die projectirte große Reiſe durch
Deutſchland, England, Frankreich, vielleicht auch Ita¬
lien antreten würde, ausführlich geſchildert, mit einem
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/181>, abgerufen am 16.02.2025.
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