"Habe ich es nicht gethan? bin ich nicht noch in derselben Nacht auf ein Wort, ja auf einen Wink hin, abgereist, bin ich nicht drei lange Jahre wie Ahasver ruhelos durch alle Lande geirrt, und habe ich, als ich dann endlich zurückkehrte -- zurückkehrte, weil mir eine Ahnung sagte, daß Dir ein Unglück be¬ vorstände -- nicht jede Gelegenheit mit Dir zusam¬ menzutreffen, sorgfältig vermieden? war es mein Wille, daß ich Dich auf dem Balle in Barnewitz traf? ist es mein Wunsch gewesen, der uns hier zu¬ sammenführte? Nein, Melitta, Du kannst nicht über mich klagen. Ich habe meine Liebe zu Dir lange, lange Jahre -- denn ich liebe Dich, seitdem ich den¬ ken kann, seitdem ich weiß, daß Nachtigallengesang und Sonnenschein und Wogenrauschen köstlich sind -- tief versteckt im Herzen getragen; und wenn ich einen Augenblick thöricht genug war, die Hoffnungslosigkeit dieser Leidenschaft zu vergessen, so habe ich diese Thor¬ heit schwer genug gebüßt. Wußte ich doch schon als Knabe, daß Du Dein Pferd und Deinen Hund lieber hattest, als mich; und doch bezwang ich den schwer verletzten Stolz, und doch demüthigte ich mich wieder und immer wieder vor Dir; ich, der ich nie in meinem Leben eine Bitte über die Lippen bringen konnte!"
Der Baron setzte seine ruhelose Wanderung durch
13 *
„Habe ich es nicht gethan? bin ich nicht noch in derſelben Nacht auf ein Wort, ja auf einen Wink hin, abgereiſt, bin ich nicht drei lange Jahre wie Ahasver ruhelos durch alle Lande geirrt, und habe ich, als ich dann endlich zurückkehrte — zurückkehrte, weil mir eine Ahnung ſagte, daß Dir ein Unglück be¬ vorſtände — nicht jede Gelegenheit mit Dir zuſam¬ menzutreffen, ſorgfältig vermieden? war es mein Wille, daß ich Dich auf dem Balle in Barnewitz traf? iſt es mein Wunſch geweſen, der uns hier zu¬ ſammenführte? Nein, Melitta, Du kannſt nicht über mich klagen. Ich habe meine Liebe zu Dir lange, lange Jahre — denn ich liebe Dich, ſeitdem ich den¬ ken kann, ſeitdem ich weiß, daß Nachtigallengeſang und Sonnenſchein und Wogenrauſchen köſtlich ſind — tief verſteckt im Herzen getragen; und wenn ich einen Augenblick thöricht genug war, die Hoffnungsloſigkeit dieſer Leidenſchaft zu vergeſſen, ſo habe ich dieſe Thor¬ heit ſchwer genug gebüßt. Wußte ich doch ſchon als Knabe, daß Du Dein Pferd und Deinen Hund lieber hatteſt, als mich; und doch bezwang ich den ſchwer verletzten Stolz, und doch demüthigte ich mich wieder und immer wieder vor Dir; ich, der ich nie in meinem Leben eine Bitte über die Lippen bringen konnte!“
Der Baron ſetzte ſeine ruheloſe Wanderung durch
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„Habe ich es nicht gethan? bin ich nicht noch in
derſelben Nacht auf ein Wort, ja auf einen Wink
hin, abgereiſt, bin ich nicht drei lange Jahre wie
Ahasver ruhelos durch alle Lande geirrt, und habe
ich, als ich dann endlich zurückkehrte — zurückkehrte,
weil mir eine Ahnung ſagte, daß Dir ein Unglück be¬
vorſtände — nicht jede Gelegenheit mit Dir zuſam¬
menzutreffen, ſorgfältig vermieden? war es mein
Wille, daß ich Dich auf dem Balle in Barnewitz
traf? iſt es mein Wunſch geweſen, der uns hier zu¬
ſammenführte? Nein, Melitta, Du kannſt nicht über
mich klagen. Ich habe meine Liebe zu Dir lange,
lange Jahre — denn ich liebe Dich, ſeitdem ich den¬
ken kann, ſeitdem ich weiß, daß Nachtigallengeſang
und Sonnenſchein und Wogenrauſchen köſtlich ſind —
tief verſteckt im Herzen getragen; und wenn ich einen
Augenblick thöricht genug war, die Hoffnungsloſigkeit
dieſer Leidenſchaft zu vergeſſen, ſo habe ich dieſe Thor¬
heit ſchwer genug gebüßt. Wußte ich doch ſchon als
Knabe, daß Du Dein Pferd und Deinen Hund lieber
hatteſt, als mich; und doch bezwang ich den ſchwer
verletzten Stolz, und doch demüthigte ich mich wieder
und immer wieder vor Dir; ich, der ich nie in meinem
Leben eine Bitte über die Lippen bringen konnte!“
Der Baron ſetzte ſeine ruheloſe Wanderung durch
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/205>, abgerufen am 16.02.2025.
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