Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.Oswald's stolzes Herz sollte noch manchen Schlag Oswald nahm einen Briefbogen, um dem Baron "Können Sie mich nicht mitnehmen, Monsieur le "Nicht wohl!" sagte Oswald. "Nun, dann fahren Sie allein!" rief Albert, "zum Oswald's ſtolzes Herz ſollte noch manchen Schlag Oswald nahm einen Briefbogen, um dem Baron „Können Sie mich nicht mitnehmen, Monsieur le „Nicht wohl!“ ſagte Oswald. „Nun, dann fahren Sie allein!“ rief Albert, „zum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021" n="11"/> Oswald's ſtolzes Herz ſollte noch manchen Schlag<lb/> thun, bis es die Liebe lernte, die echte Liebe, von der<lb/> es in jener wunderbar ſchönen und tiefſinnigen Stelle<lb/> der Schrift heißt, daß ſie nicht hoffärtig iſt und ſich<lb/> nicht erbittern läßt und Alles duldet und Alles glaubt.<lb/> Die wahre Liebe lebt nur in Herzen, die viel erfah¬<lb/> ren und viel erduldet haben, wie an den Bäumen,<lb/> die der herbſtliche Wind ſchon ihres ſommerlichen<lb/> Blätterſchmuckes zu berauben anfängt, die ſüßeſten<lb/> und köſtlichſten Früchte hängen.</p><lb/> <p>Oswald nahm einen Briefbogen, um dem Baron<lb/> zu ſchreiben, daß er ſeiner Einladung nicht Folge<lb/> leiſten könne, und ſchon im nächſten Augenblick hatte<lb/> er ſeinen Hut ergriffen und eilte hinab. Derſelbe<lb/> elegante Holſteiner, in welchem er mit dem Baron von<lb/> Barnewitz zurückgekommen war, hielt mit den zwei<lb/> feurigen Rappen beſpannt vor dem Portale. Der<lb/> Kutſcher, ein hübſcher Mann mit einem ungeheuren<lb/> Barte, lächelte ihm, in Erinnerung des neulich erhal¬<lb/> tenen ſchweren Trinkgeldes, freundlich zu. Als er<lb/> einſtieg, rief Albert über die Gartenmauer:</p><lb/> <p>„Können Sie mich nicht mitnehmen, <hi rendition="#aq">Monsieur le<lb/> docteur</hi>?“</p><lb/> <p>„Nicht wohl!“ ſagte Oswald.</p><lb/> <p>„Nun, dann fahren Sie allein!“ rief Albert, „zum<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [11/0021]
Oswald's ſtolzes Herz ſollte noch manchen Schlag
thun, bis es die Liebe lernte, die echte Liebe, von der
es in jener wunderbar ſchönen und tiefſinnigen Stelle
der Schrift heißt, daß ſie nicht hoffärtig iſt und ſich
nicht erbittern läßt und Alles duldet und Alles glaubt.
Die wahre Liebe lebt nur in Herzen, die viel erfah¬
ren und viel erduldet haben, wie an den Bäumen,
die der herbſtliche Wind ſchon ihres ſommerlichen
Blätterſchmuckes zu berauben anfängt, die ſüßeſten
und köſtlichſten Früchte hängen.
Oswald nahm einen Briefbogen, um dem Baron
zu ſchreiben, daß er ſeiner Einladung nicht Folge
leiſten könne, und ſchon im nächſten Augenblick hatte
er ſeinen Hut ergriffen und eilte hinab. Derſelbe
elegante Holſteiner, in welchem er mit dem Baron von
Barnewitz zurückgekommen war, hielt mit den zwei
feurigen Rappen beſpannt vor dem Portale. Der
Kutſcher, ein hübſcher Mann mit einem ungeheuren
Barte, lächelte ihm, in Erinnerung des neulich erhal¬
tenen ſchweren Trinkgeldes, freundlich zu. Als er
einſtieg, rief Albert über die Gartenmauer:
„Können Sie mich nicht mitnehmen, Monsieur le
docteur?“
„Nicht wohl!“ ſagte Oswald.
„Nun, dann fahren Sie allein!“ rief Albert, „zum
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