"Ich weiß noch nicht. Meine Solitude, -- so taufte nämlich mein Großvater diesen seinen Lieblings¬ ort -- gefällt mir diesmal besser, als sonst wohl. Ich habe in den letzten Jahren ein etwas buntes Leben geführt und so viel Adamskinder der verschie¬ densten Racen und Culturzustände durcheinander ge¬ sehen, daß zuletzt einer genau so aussah, wie der an¬ dere, ein Beweis, daß meine Sinne vollkommen abge¬ stumpft waren und eine längere Hungercur nöthig ist. Daß ich nicht ganz verhungere, dafür sollen Sie und die Czika sorgen."
"Und wo ist denn unser kleiner Findling?"
"Irgendwo auf der Haide, wo sie sich in den blühenden Ginster legt und in den Himmel starrt, oder am Strande, wo sie zwischen den Felsblöcken umherklettert und vor Vergnügen in die Hände klatscht, wenn eine Welle ihre nackten Füße benetzt. Bis zu Schuhen hat sie es nämlich noch nicht gebracht, das heißt: ich habe sie noch nicht dazu bringen können. Ich lasse ihr überhaupt absolute Freiheit, seitdem sie mir gleich am zweiten Tage, als ich sie bei dem schauder¬ haften Wetter nicht herauslassen wollte, sehr energisch er¬ klärte: Czika stirbt, wenn Czika nicht in den Regen darf."
"Sehnt sie sich denn nicht nach ihrer Mutter zurück?"
"Glauben Sie wirklich, das das braune Weib, das
„Ich weiß noch nicht. Meine Solitude, — ſo taufte nämlich mein Großvater dieſen ſeinen Lieblings¬ ort — gefällt mir diesmal beſſer, als ſonſt wohl. Ich habe in den letzten Jahren ein etwas buntes Leben geführt und ſo viel Adamskinder der verſchie¬ denſten Racen und Culturzuſtände durcheinander ge¬ ſehen, daß zuletzt einer genau ſo ausſah, wie der an¬ dere, ein Beweis, daß meine Sinne vollkommen abge¬ ſtumpft waren und eine längere Hungercur nöthig iſt. Daß ich nicht ganz verhungere, dafür ſollen Sie und die Czika ſorgen.“
„Und wo iſt denn unſer kleiner Findling?“
„Irgendwo auf der Haide, wo ſie ſich in den blühenden Ginſter legt und in den Himmel ſtarrt, oder am Strande, wo ſie zwiſchen den Felsblöcken umherklettert und vor Vergnügen in die Hände klatſcht, wenn eine Welle ihre nackten Füße benetzt. Bis zu Schuhen hat ſie es nämlich noch nicht gebracht, das heißt: ich habe ſie noch nicht dazu bringen können. Ich laſſe ihr überhaupt abſolute Freiheit, ſeitdem ſie mir gleich am zweiten Tage, als ich ſie bei dem ſchauder¬ haften Wetter nicht herauslaſſen wollte, ſehr energiſch er¬ klärte: Czika ſtirbt, wenn Czika nicht in den Regen darf.“
„Sehnt ſie ſich denn nicht nach ihrer Mutter zurück?“
„Glauben Sie wirklich, das das braune Weib, das
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„Ich weiß noch nicht. Meine Solitude, — ſo
taufte nämlich mein Großvater dieſen ſeinen Lieblings¬
ort — gefällt mir diesmal beſſer, als ſonſt wohl.
Ich habe in den letzten Jahren ein etwas buntes
Leben geführt und ſo viel Adamskinder der verſchie¬
denſten Racen und Culturzuſtände durcheinander ge¬
ſehen, daß zuletzt einer genau ſo ausſah, wie der an¬
dere, ein Beweis, daß meine Sinne vollkommen abge¬
ſtumpft waren und eine längere Hungercur nöthig iſt.
Daß ich nicht ganz verhungere, dafür ſollen Sie und
die Czika ſorgen.“
„Und wo iſt denn unſer kleiner Findling?“
„Irgendwo auf der Haide, wo ſie ſich in den
blühenden Ginſter legt und in den Himmel ſtarrt,
oder am Strande, wo ſie zwiſchen den Felsblöcken
umherklettert und vor Vergnügen in die Hände klatſcht,
wenn eine Welle ihre nackten Füße benetzt. Bis zu
Schuhen hat ſie es nämlich noch nicht gebracht, das
heißt: ich habe ſie noch nicht dazu bringen können.
Ich laſſe ihr überhaupt abſolute Freiheit, ſeitdem ſie mir
gleich am zweiten Tage, als ich ſie bei dem ſchauder¬
haften Wetter nicht herauslaſſen wollte, ſehr energiſch er¬
klärte: Czika ſtirbt, wenn Czika nicht in den Regen darf.“
„Sehnt ſie ſich denn nicht nach ihrer Mutter zurück?“
„Glauben Sie wirklich, das das braune Weib, das
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/31>, abgerufen am 16.07.2024.
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