Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

und dem Baron, bei welcher Oswald ein so unfrei¬
williger Zeuge gewesen war, nicht Beweis genug, daß
Cloten nach einer ganz anderen Seite hin in Anspruch
genommen und mit seinen eigenen Angelegenheiten
vollauf beschäftigt war?

Oswald ließ die Reihe der jungen Edelleute, deren
Bekanntschaft er auf dem Balle gemacht hatte, an
seinem Geiste vorübergehen, und sein Verdacht blieb
schließlich auf dem jungen Grafen Grieben haften,
jenem langen, blonden Jüngling, der so komische An¬
strengungen machte, den starken Geist zu spielen und
sich die Gunst der übermüthigen Emilie zu erwerben,
und in beiden Bemühungen so unglücklich gewesen war.
Er konnte am ersten der Erfinder der Phrase von
dem "vom Glück begünstigten Ritter" sein.

Was sollte er thun? Sollte er sich der vielleicht
nichts weniger als edlen Rache der jungen Edelleute aus¬
setzen? sollte er in einen Kampf gehen, in welchem er die
Wahl der Waffen, der Zeugen, des Ortes, kurz Alles
seinem Gegner zu überlassen gezwungen war? Konnte
es ihm ein billig denkender Mann verargen, wenn er die
Herausforderung eines Namenlosen unbeachtet ließ?

Aber hatte er es denn mit billig denkenden Män¬
nern zu thun? hatte er nicht die Erfahrung gemacht,
bewies nicht Alles, was er sah und hörte, daß in

und dem Baron, bei welcher Oswald ein ſo unfrei¬
williger Zeuge geweſen war, nicht Beweis genug, daß
Cloten nach einer ganz anderen Seite hin in Anſpruch
genommen und mit ſeinen eigenen Angelegenheiten
vollauf beſchäftigt war?

Oswald ließ die Reihe der jungen Edelleute, deren
Bekanntſchaft er auf dem Balle gemacht hatte, an
ſeinem Geiſte vorübergehen, und ſein Verdacht blieb
ſchließlich auf dem jungen Grafen Grieben haften,
jenem langen, blonden Jüngling, der ſo komiſche An¬
ſtrengungen machte, den ſtarken Geiſt zu ſpielen und
ſich die Gunſt der übermüthigen Emilie zu erwerben,
und in beiden Bemühungen ſo unglücklich geweſen war.
Er konnte am erſten der Erfinder der Phraſe von
dem „vom Glück begünſtigten Ritter“ ſein.

Was ſollte er thun? Sollte er ſich der vielleicht
nichts weniger als edlen Rache der jungen Edelleute aus¬
ſetzen? ſollte er in einen Kampf gehen, in welchem er die
Wahl der Waffen, der Zeugen, des Ortes, kurz Alles
ſeinem Gegner zu überlaſſen gezwungen war? Konnte
es ihm ein billig denkender Mann verargen, wenn er die
Herausforderung eines Namenloſen unbeachtet ließ?

Aber hatte er es denn mit billig denkenden Män¬
nern zu thun? hatte er nicht die Erfahrung gemacht,
bewies nicht Alles, was er ſah und hörte, daß in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="52"/>
und dem Baron, bei welcher Oswald ein &#x017F;o unfrei¬<lb/>
williger Zeuge gewe&#x017F;en war, nicht Beweis genug, daß<lb/>
Cloten nach einer ganz anderen Seite hin in An&#x017F;pruch<lb/>
genommen und mit &#x017F;einen eigenen Angelegenheiten<lb/>
vollauf be&#x017F;chäftigt war?</p><lb/>
        <p>Oswald ließ die Reihe der jungen Edelleute, deren<lb/>
Bekannt&#x017F;chaft er auf dem Balle gemacht hatte, an<lb/>
&#x017F;einem Gei&#x017F;te vorübergehen, und &#x017F;ein Verdacht blieb<lb/>
&#x017F;chließlich auf dem jungen Grafen Grieben haften,<lb/>
jenem langen, blonden Jüngling, der &#x017F;o komi&#x017F;che An¬<lb/>
&#x017F;trengungen machte, den &#x017F;tarken Gei&#x017F;t zu &#x017F;pielen und<lb/>
&#x017F;ich die Gun&#x017F;t der übermüthigen Emilie zu erwerben,<lb/>
und in beiden Bemühungen &#x017F;o unglücklich gewe&#x017F;en war.<lb/>
Er konnte am er&#x017F;ten der Erfinder der Phra&#x017F;e von<lb/>
dem &#x201E;vom Glück begün&#x017F;tigten Ritter&#x201C; &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p>Was &#x017F;ollte er thun? Sollte er &#x017F;ich der vielleicht<lb/>
nichts weniger als edlen Rache der jungen Edelleute aus¬<lb/>
&#x017F;etzen? &#x017F;ollte er in einen Kampf gehen, in welchem er die<lb/>
Wahl der Waffen, der Zeugen, des Ortes, kurz Alles<lb/>
&#x017F;einem Gegner zu überla&#x017F;&#x017F;en gezwungen war? Konnte<lb/>
es ihm ein billig denkender Mann verargen, wenn er die<lb/>
Herausforderung eines Namenlo&#x017F;en unbeachtet ließ?</p><lb/>
        <p>Aber hatte er es denn mit billig denkenden Män¬<lb/>
nern zu thun? hatte er nicht die Erfahrung gemacht,<lb/>
bewies nicht Alles, was er &#x017F;ah und hörte, daß in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] und dem Baron, bei welcher Oswald ein ſo unfrei¬ williger Zeuge geweſen war, nicht Beweis genug, daß Cloten nach einer ganz anderen Seite hin in Anſpruch genommen und mit ſeinen eigenen Angelegenheiten vollauf beſchäftigt war? Oswald ließ die Reihe der jungen Edelleute, deren Bekanntſchaft er auf dem Balle gemacht hatte, an ſeinem Geiſte vorübergehen, und ſein Verdacht blieb ſchließlich auf dem jungen Grafen Grieben haften, jenem langen, blonden Jüngling, der ſo komiſche An¬ ſtrengungen machte, den ſtarken Geiſt zu ſpielen und ſich die Gunſt der übermüthigen Emilie zu erwerben, und in beiden Bemühungen ſo unglücklich geweſen war. Er konnte am erſten der Erfinder der Phraſe von dem „vom Glück begünſtigten Ritter“ ſein. Was ſollte er thun? Sollte er ſich der vielleicht nichts weniger als edlen Rache der jungen Edelleute aus¬ ſetzen? ſollte er in einen Kampf gehen, in welchem er die Wahl der Waffen, der Zeugen, des Ortes, kurz Alles ſeinem Gegner zu überlaſſen gezwungen war? Konnte es ihm ein billig denkender Mann verargen, wenn er die Herausforderung eines Namenloſen unbeachtet ließ? Aber hatte er es denn mit billig denkenden Män¬ nern zu thun? hatte er nicht die Erfahrung gemacht, bewies nicht Alles, was er ſah und hörte, daß in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/62
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/62>, abgerufen am 23.11.2024.