Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.Natürlich auch wir Kinder. Oldenburg war ein paar Natürlich auch wir Kinder. Oldenburg war ein paar <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0076" n="66"/> Natürlich auch wir Kinder. Oldenburg war ein paar<lb/> Jahre älter als ich, aber da die Mädchen den Knaben<lb/> ſtets in der Entwickelung voraus ſind, ſo wurde der<lb/> Unterſchied des Alters von uns nicht empfunden, wir<lb/> ſpielten und arbeiteten zuſammen, und hielten gute<lb/> Kameradſchaft — für gewöhnlich; denn es kam auch<lb/> manchmal zu heftigem Wortwechſel und Zank und<lb/> Thränen. Ich gab ſelten Veranlaſſung dazu, denn<lb/> ich war wenig rechthaberiſch und ſtets zu Conceſſionen<lb/> bereit, aber Adalbert war über die Maßen empfind¬<lb/> lich, ſtörriſch und eigenwillig. Die Doppelnatur<lb/> ſeines Weſens, die er ſpäter auszugleichen ſich be¬<lb/> mühte und vor weniger Scharfſichtigen auch meiſtens<lb/> zu verbergen wußte, lag damals offen zu Tage. Es<lb/> war unmöglich, ſich nicht für ihn zu intereſſiren, aber<lb/> ich glaube, es gab Niemanden, der ihn wirklich liebte.<lb/> Er fühlte das, und dies Gefühl, welches er wie eine<lb/> geheime Wunde ſtets mit ſich herumtrug, machte ihn<lb/> ſchon ſehr früh zu einem Hypochonder und Menſchen<lb/> feind. Was half es ihm, daß Jedermann ſeine emi¬<lb/> nenten Gaben bewunderte, daß Niemand an ſeinem<lb/> Muth, ſeiner Wahrheitsliebe zweifelte! ſein ſtörriſches,<lb/> eigenſinniges Weſen ſtieß Alle zurück, verletzte Alle;<lb/> ja ſelbſt ſeine lange, unſchöne Geſtalt und ſeine täp¬<lb/> piſchen, linkiſchen Bewegungen trugen dazu bei, die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [66/0076]
Natürlich auch wir Kinder. Oldenburg war ein paar
Jahre älter als ich, aber da die Mädchen den Knaben
ſtets in der Entwickelung voraus ſind, ſo wurde der
Unterſchied des Alters von uns nicht empfunden, wir
ſpielten und arbeiteten zuſammen, und hielten gute
Kameradſchaft — für gewöhnlich; denn es kam auch
manchmal zu heftigem Wortwechſel und Zank und
Thränen. Ich gab ſelten Veranlaſſung dazu, denn
ich war wenig rechthaberiſch und ſtets zu Conceſſionen
bereit, aber Adalbert war über die Maßen empfind¬
lich, ſtörriſch und eigenwillig. Die Doppelnatur
ſeines Weſens, die er ſpäter auszugleichen ſich be¬
mühte und vor weniger Scharfſichtigen auch meiſtens
zu verbergen wußte, lag damals offen zu Tage. Es
war unmöglich, ſich nicht für ihn zu intereſſiren, aber
ich glaube, es gab Niemanden, der ihn wirklich liebte.
Er fühlte das, und dies Gefühl, welches er wie eine
geheime Wunde ſtets mit ſich herumtrug, machte ihn
ſchon ſehr früh zu einem Hypochonder und Menſchen
feind. Was half es ihm, daß Jedermann ſeine emi¬
nenten Gaben bewunderte, daß Niemand an ſeinem
Muth, ſeiner Wahrheitsliebe zweifelte! ſein ſtörriſches,
eigenſinniges Weſen ſtieß Alle zurück, verletzte Alle;
ja ſelbſt ſeine lange, unſchöne Geſtalt und ſeine täp¬
piſchen, linkiſchen Bewegungen trugen dazu bei, die
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