Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

mir, daß er in Paris, ich weiß nicht durch wen?
unsern Reiseplan erfahren, uns schon von München
aus verfolgt und immer verfehlt habe, bis es ihm
endlich hier gelang, uns einzuholen. Ich muß ge¬
stehen, daß ich mich über dies Zusammentreffen auf¬
richtig freute und es mit einiger Genugthuung em¬
pfand, daß es kein zufälliges war. Es vereinigte sich
Alles, um Oldenburg bei mir einen guten Empfang
zu bereiten. Man schließt sich auf Reisen selbst an
Fremde leicht an: wie sollte uns der Freund unserer
Jugend, wenn wir ihn plötzlich in fernen Landen
treffen, nicht willkommen sein? Oldenburg hatte Ita¬
lien schon mehrmals bereist und kannte jeden Meister
von jedem Altargemälde in jeder Klosterkirche Seine
lehrreiche Unterhaltung stach gegen das banale Ge¬
schwätz meiner Verwandten gar sehr zu seinem Vor¬
theile ab, und dazu kam, daß Oldenburg durch die
vielfache Berührung mit der feinsten Gesellschaft jetzt
die schroffen und rauhen Seiten seines Wesens be¬
deutend abgeschliffen hatte. Sein Auftreten war, wie
Du es jetzt siehst, das heißt, bei aller bis an Nach¬
lässigkeit streifenden Ungezwungenheit, doch im schönsten
Sinne des Wortes aristokratisch. Mit einem Worte:
er machte jetzt einen Eindruck auf mich, den ich früher
nie für möglich gehalten hätte. Es war nicht Liebe,

mir, daß er in Paris, ich weiß nicht durch wen?
unſern Reiſeplan erfahren, uns ſchon von München
aus verfolgt und immer verfehlt habe, bis es ihm
endlich hier gelang, uns einzuholen. Ich muß ge¬
ſtehen, daß ich mich über dies Zuſammentreffen auf¬
richtig freute und es mit einiger Genugthuung em¬
pfand, daß es kein zufälliges war. Es vereinigte ſich
Alles, um Oldenburg bei mir einen guten Empfang
zu bereiten. Man ſchließt ſich auf Reiſen ſelbſt an
Fremde leicht an: wie ſollte uns der Freund unſerer
Jugend, wenn wir ihn plötzlich in fernen Landen
treffen, nicht willkommen ſein? Oldenburg hatte Ita¬
lien ſchon mehrmals bereiſt und kannte jeden Meiſter
von jedem Altargemälde in jeder Kloſterkirche Seine
lehrreiche Unterhaltung ſtach gegen das banale Ge¬
ſchwätz meiner Verwandten gar ſehr zu ſeinem Vor¬
theile ab, und dazu kam, daß Oldenburg durch die
vielfache Berührung mit der feinſten Geſellſchaft jetzt
die ſchroffen und rauhen Seiten ſeines Weſens be¬
deutend abgeſchliffen hatte. Sein Auftreten war, wie
Du es jetzt ſiehſt, das heißt, bei aller bis an Nach¬
läſſigkeit ſtreifenden Ungezwungenheit, doch im ſchönſten
Sinne des Wortes ariſtokratiſch. Mit einem Worte:
er machte jetzt einen Eindruck auf mich, den ich früher
nie für möglich gehalten hätte. Es war nicht Liebe,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="72"/>
mir, daß er in Paris, ich weiß nicht durch wen?<lb/>
un&#x017F;ern Rei&#x017F;eplan erfahren, uns &#x017F;chon von München<lb/>
aus verfolgt und immer verfehlt habe, bis es ihm<lb/>
endlich hier gelang, uns einzuholen. Ich muß ge¬<lb/>
&#x017F;tehen, daß ich mich über dies Zu&#x017F;ammentreffen auf¬<lb/>
richtig freute und es mit einiger Genugthuung em¬<lb/>
pfand, daß es kein zufälliges war. Es vereinigte &#x017F;ich<lb/>
Alles, um Oldenburg bei mir einen guten Empfang<lb/>
zu bereiten. Man &#x017F;chließt &#x017F;ich auf Rei&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t an<lb/>
Fremde leicht an: wie &#x017F;ollte uns der Freund un&#x017F;erer<lb/>
Jugend, wenn wir ihn plötzlich in fernen Landen<lb/>
treffen, nicht willkommen &#x017F;ein? Oldenburg hatte Ita¬<lb/>
lien &#x017F;chon mehrmals berei&#x017F;t und kannte jeden Mei&#x017F;ter<lb/>
von jedem Altargemälde in jeder Klo&#x017F;terkirche Seine<lb/>
lehrreiche Unterhaltung &#x017F;tach gegen das banale Ge¬<lb/>
&#x017F;chwätz meiner Verwandten gar &#x017F;ehr zu &#x017F;einem Vor¬<lb/>
theile ab, und dazu kam, daß Oldenburg durch die<lb/>
vielfache Berührung mit der fein&#x017F;ten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft jetzt<lb/>
die &#x017F;chroffen und rauhen Seiten &#x017F;eines We&#x017F;ens be¬<lb/>
deutend abge&#x017F;chliffen hatte. Sein Auftreten war, wie<lb/>
Du es jetzt &#x017F;ieh&#x017F;t, das heißt, bei aller bis an Nach¬<lb/>&#x017F;&#x017F;igkeit &#x017F;treifenden Ungezwungenheit, doch im &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>
Sinne des Wortes ari&#x017F;tokrati&#x017F;ch. Mit einem Worte:<lb/>
er machte jetzt einen Eindruck auf mich, den ich früher<lb/>
nie für möglich gehalten hätte. Es war nicht Liebe,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0082] mir, daß er in Paris, ich weiß nicht durch wen? unſern Reiſeplan erfahren, uns ſchon von München aus verfolgt und immer verfehlt habe, bis es ihm endlich hier gelang, uns einzuholen. Ich muß ge¬ ſtehen, daß ich mich über dies Zuſammentreffen auf¬ richtig freute und es mit einiger Genugthuung em¬ pfand, daß es kein zufälliges war. Es vereinigte ſich Alles, um Oldenburg bei mir einen guten Empfang zu bereiten. Man ſchließt ſich auf Reiſen ſelbſt an Fremde leicht an: wie ſollte uns der Freund unſerer Jugend, wenn wir ihn plötzlich in fernen Landen treffen, nicht willkommen ſein? Oldenburg hatte Ita¬ lien ſchon mehrmals bereiſt und kannte jeden Meiſter von jedem Altargemälde in jeder Kloſterkirche Seine lehrreiche Unterhaltung ſtach gegen das banale Ge¬ ſchwätz meiner Verwandten gar ſehr zu ſeinem Vor¬ theile ab, und dazu kam, daß Oldenburg durch die vielfache Berührung mit der feinſten Geſellſchaft jetzt die ſchroffen und rauhen Seiten ſeines Weſens be¬ deutend abgeſchliffen hatte. Sein Auftreten war, wie Du es jetzt ſiehſt, das heißt, bei aller bis an Nach¬ läſſigkeit ſtreifenden Ungezwungenheit, doch im ſchönſten Sinne des Wortes ariſtokratiſch. Mit einem Worte: er machte jetzt einen Eindruck auf mich, den ich früher nie für möglich gehalten hätte. Es war nicht Liebe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/82
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/82>, abgerufen am 24.11.2024.