Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

die herrliche Frau lieben, das ist ja so natürlich, so
-- ich möchte sagen: logisch -- das Gegentheil würde
baarer Unsinn sein: Es muß sie Jeder lieben, und
um so mehr lieben, je edler sein Herz, je empfäng¬
licher seine Seele für das Gute und Schöne ist. Ihr
Herz ist edel, Ihre Seele klingt harmonisch mit allem
Schönen zusammen; so müssen Sie auch diese schönste
und beste Frau von ganzem Herzen, von ganzer
Seele lieben. Und auf der anderen Seite: ist sie
nicht frei? wenn auch nicht vor den Menschen, so doch
vor dem Richter, der in's Verborgene sieht? hat sie
ihren Gemahl jemals geliebt? konnte sie ihn lieben,
dem sie verkauft wurde um schnödes Geld -- verkauft
von dem eigenen Vater, als sie noch viel zu jung und
unschuldig war, das Bubenstück auch nur zu ahnen,
geschweige denn zu durchschauen? O! mein Blut kocht,
wenn ich daran denke! nein, nein! sie durfte Sie
lieben, sie mußte Sie lieben, sie, deren Herz ganz
Liebe und Güte ist. Ich freue mich, daß es so ge¬
kommen ist, ich wünsche Ihnen Glück von ganzem
Herzen. Ich bin ein einfacher, unbedeutender Mensch
und würde im Gefühl dieser meiner Unbedeutenheit
nimmer den Blick zu solcher Höhe zu erheben wagen;
aber, wenn ich einen Andern kühn und stolz auf dieser
Höhe wandeln sehe, so erfüllt das meine Brust mit

F. Spielhagen, Problematische Naturen. III. 6

die herrliche Frau lieben, das iſt ja ſo natürlich, ſo
— ich möchte ſagen: logiſch — das Gegentheil würde
baarer Unſinn ſein: Es muß ſie Jeder lieben, und
um ſo mehr lieben, je edler ſein Herz, je empfäng¬
licher ſeine Seele für das Gute und Schöne iſt. Ihr
Herz iſt edel, Ihre Seele klingt harmoniſch mit allem
Schönen zuſammen; ſo müſſen Sie auch dieſe ſchönſte
und beſte Frau von ganzem Herzen, von ganzer
Seele lieben. Und auf der anderen Seite: iſt ſie
nicht frei? wenn auch nicht vor den Menſchen, ſo doch
vor dem Richter, der in's Verborgene ſieht? hat ſie
ihren Gemahl jemals geliebt? konnte ſie ihn lieben,
dem ſie verkauft wurde um ſchnödes Geld — verkauft
von dem eigenen Vater, als ſie noch viel zu jung und
unſchuldig war, das Bubenſtück auch nur zu ahnen,
geſchweige denn zu durchſchauen? O! mein Blut kocht,
wenn ich daran denke! nein, nein! ſie durfte Sie
lieben, ſie mußte Sie lieben, ſie, deren Herz ganz
Liebe und Güte iſt. Ich freue mich, daß es ſo ge¬
kommen iſt, ich wünſche Ihnen Glück von ganzem
Herzen. Ich bin ein einfacher, unbedeutender Menſch
und würde im Gefühl dieſer meiner Unbedeutenheit
nimmer den Blick zu ſolcher Höhe zu erheben wagen;
aber, wenn ich einen Andern kühn und ſtolz auf dieſer
Höhe wandeln ſehe, ſo erfüllt das meine Bruſt mit

F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. III. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="81"/>
die herrliche Frau lieben, das i&#x017F;t ja &#x017F;o natürlich, &#x017F;o<lb/>
&#x2014; ich möchte &#x017F;agen: logi&#x017F;ch &#x2014; das Gegentheil würde<lb/>
baarer Un&#x017F;inn &#x017F;ein: Es muß &#x017F;ie Jeder lieben, und<lb/>
um &#x017F;o mehr lieben, je edler &#x017F;ein Herz, je empfäng¬<lb/>
licher &#x017F;eine Seele für das Gute und Schöne i&#x017F;t. Ihr<lb/>
Herz i&#x017F;t edel, Ihre Seele klingt harmoni&#x017F;ch mit allem<lb/>
Schönen zu&#x017F;ammen; &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en Sie auch die&#x017F;e &#x017F;chön&#x017F;te<lb/>
und be&#x017F;te Frau von ganzem Herzen, von ganzer<lb/>
Seele lieben. Und auf der anderen Seite: i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
nicht frei? wenn auch nicht vor den Men&#x017F;chen, &#x017F;o doch<lb/>
vor dem Richter, der in's Verborgene &#x017F;ieht? hat &#x017F;ie<lb/>
ihren Gemahl jemals geliebt? konnte &#x017F;ie ihn lieben,<lb/>
dem &#x017F;ie verkauft wurde um &#x017F;chnödes Geld &#x2014; verkauft<lb/>
von dem eigenen Vater, als &#x017F;ie noch viel zu jung und<lb/>
un&#x017F;chuldig war, das Buben&#x017F;tück auch nur zu ahnen,<lb/>
ge&#x017F;chweige denn zu durch&#x017F;chauen? O! mein Blut kocht,<lb/>
wenn ich daran denke! nein, nein! &#x017F;ie durfte Sie<lb/>
lieben, &#x017F;ie mußte Sie lieben, &#x017F;ie, deren Herz ganz<lb/>
Liebe und Güte i&#x017F;t. Ich freue mich, daß es &#x017F;o ge¬<lb/>
kommen i&#x017F;t, ich wün&#x017F;che Ihnen Glück von ganzem<lb/>
Herzen. Ich bin ein einfacher, unbedeutender Men&#x017F;ch<lb/>
und würde im Gefühl die&#x017F;er meiner Unbedeutenheit<lb/>
nimmer den Blick zu &#x017F;olcher Höhe zu erheben wagen;<lb/>
aber, wenn ich einen Andern kühn und &#x017F;tolz auf die&#x017F;er<lb/>
Höhe wandeln &#x017F;ehe, &#x017F;o erfüllt das meine Bru&#x017F;t mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F. Spielhagen, Problemati&#x017F;che Naturen. III. 6<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0091] die herrliche Frau lieben, das iſt ja ſo natürlich, ſo — ich möchte ſagen: logiſch — das Gegentheil würde baarer Unſinn ſein: Es muß ſie Jeder lieben, und um ſo mehr lieben, je edler ſein Herz, je empfäng¬ licher ſeine Seele für das Gute und Schöne iſt. Ihr Herz iſt edel, Ihre Seele klingt harmoniſch mit allem Schönen zuſammen; ſo müſſen Sie auch dieſe ſchönſte und beſte Frau von ganzem Herzen, von ganzer Seele lieben. Und auf der anderen Seite: iſt ſie nicht frei? wenn auch nicht vor den Menſchen, ſo doch vor dem Richter, der in's Verborgene ſieht? hat ſie ihren Gemahl jemals geliebt? konnte ſie ihn lieben, dem ſie verkauft wurde um ſchnödes Geld — verkauft von dem eigenen Vater, als ſie noch viel zu jung und unſchuldig war, das Bubenſtück auch nur zu ahnen, geſchweige denn zu durchſchauen? O! mein Blut kocht, wenn ich daran denke! nein, nein! ſie durfte Sie lieben, ſie mußte Sie lieben, ſie, deren Herz ganz Liebe und Güte iſt. Ich freue mich, daß es ſo ge¬ kommen iſt, ich wünſche Ihnen Glück von ganzem Herzen. Ich bin ein einfacher, unbedeutender Menſch und würde im Gefühl dieſer meiner Unbedeutenheit nimmer den Blick zu ſolcher Höhe zu erheben wagen; aber, wenn ich einen Andern kühn und ſtolz auf dieſer Höhe wandeln ſehe, ſo erfüllt das meine Bruſt mit F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. III. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/91
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/91>, abgerufen am 24.11.2024.