Herr Timm sah, der Enteilenden nach. "Dummes kleines Frauenzimmer," sagte er; "glaubt wahrhaftig, ich werde sie heirathen. Das fehlte auch noch -- für dreihundert Thaler, die ich früher an ein paar Aben¬ den verspielt habe! Es ist wirklich großartig, was sich diese Mädchen nicht alles einbilden! Und dabei ist diese gar nicht so dumm, wie sie aussieht und scheint trotz ihres fürchterlichen Deutsch ihren Goethe gründ¬ lich studirt zu haben: "thut keinem Dieb nur nichts zu Lieb, als mit dem Ring am Finger --" hm, hm! ich werde ihr wahrhaftig einen Ring kaufen müssen. Die dreihundert Thaler wären freilich so übel nicht. Diese verdammten Gläubiger! nicht einmal in diesem Winkel lassen sie einen ungeschoren" . . .
Herr Timm faßte in die Brusttasche und holte einige Briefe von verdächtigem Ansehen hervor, die er, nachdem er sich in die Ecke einer Bank gesetzt, einen nach dem andern, entfaltete und eifrig studirte. Sein sonst so lustiges Gesicht verdüsterte sich dabei zusehends. "Verdammt," murmelte er, "die Kerle werden wirklich unverschämt. Wenn ich den brum¬ menden Bären doch nur so ein paar hundert Thaler in den Rachen werfen könnte, so schwiegen sie doch für eine Weile wenigstens."
"Hm, hm! die dreihundert Thaler, welche die kleine
Herr Timm ſah, der Enteilenden nach. „Dummes kleines Frauenzimmer,“ ſagte er; „glaubt wahrhaftig, ich werde ſie heirathen. Das fehlte auch noch — für dreihundert Thaler, die ich früher an ein paar Aben¬ den verſpielt habe! Es iſt wirklich großartig, was ſich dieſe Mädchen nicht alles einbilden! Und dabei iſt dieſe gar nicht ſo dumm, wie ſie ausſieht und ſcheint trotz ihres fürchterlichen Deutſch ihren Goethe gründ¬ lich ſtudirt zu haben: „thut keinem Dieb nur nichts zu Lieb, als mit dem Ring am Finger —“ hm, hm! ich werde ihr wahrhaftig einen Ring kaufen müſſen. Die dreihundert Thaler wären freilich ſo übel nicht. Dieſe verdammten Gläubiger! nicht einmal in dieſem Winkel laſſen ſie einen ungeſchoren“ . . .
Herr Timm faßte in die Bruſttaſche und holte einige Briefe von verdächtigem Anſehen hervor, die er, nachdem er ſich in die Ecke einer Bank geſetzt, einen nach dem andern, entfaltete und eifrig ſtudirte. Sein ſonſt ſo luſtiges Geſicht verdüſterte ſich dabei zuſehends. „Verdammt,“ murmelte er, „die Kerle werden wirklich unverſchämt. Wenn ich den brum¬ menden Bären doch nur ſo ein paar hundert Thaler in den Rachen werfen könnte, ſo ſchwiegen ſie doch für eine Weile wenigſtens.“
„Hm, hm! die dreihundert Thaler, welche die kleine
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Herr Timm ſah, der Enteilenden nach. „Dummes
kleines Frauenzimmer,“ ſagte er; „glaubt wahrhaftig,
ich werde ſie heirathen. Das fehlte auch noch — für
dreihundert Thaler, die ich früher an ein paar Aben¬
den verſpielt habe! Es iſt wirklich großartig, was ſich
dieſe Mädchen nicht alles einbilden! Und dabei iſt
dieſe gar nicht ſo dumm, wie ſie ausſieht und ſcheint
trotz ihres fürchterlichen Deutſch ihren Goethe gründ¬
lich ſtudirt zu haben: „thut keinem Dieb nur nichts
zu Lieb, als mit dem Ring am Finger —“ hm, hm!
ich werde ihr wahrhaftig einen Ring kaufen müſſen.
Die dreihundert Thaler wären freilich ſo übel nicht.
Dieſe verdammten Gläubiger! nicht einmal in dieſem
Winkel laſſen ſie einen ungeſchoren“ . . .
Herr Timm faßte in die Bruſttaſche und holte
einige Briefe von verdächtigem Anſehen hervor, die
er, nachdem er ſich in die Ecke einer Bank geſetzt,
einen nach dem andern, entfaltete und eifrig ſtudirte.
Sein ſonſt ſo luſtiges Geſicht verdüſterte ſich dabei
zuſehends. „Verdammt,“ murmelte er, „die Kerle
werden wirklich unverſchämt. Wenn ich den brum¬
menden Bären doch nur ſo ein paar hundert Thaler
in den Rachen werfen könnte, ſo ſchwiegen ſie doch
für eine Weile wenigſtens.“
„Hm, hm! die dreihundert Thaler, welche die kleine
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/99>, abgerufen am 16.07.2024.
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