Berkow's wurde nichts blos im Kreise der Jüngeren lebhaft debattirt. Melitta war eine der gefeiertsten Damen der Gesellschaft und hatte trotzdem merk¬ würdigerweise wenig Neider und Feinde. Hin und wieder zwar wurde ihr ein etwas excentrisches Wesen, eine Neigung zum Besondern, Ungewöhnlichen zum Vorwurf gemacht; dieser meinte, sie sei ihm zu ge¬ bildet; jener, sie kokettire mit dem Liberalismus -- aber im Allgemeinen wurde ihre Liebenswürdigkeit, ihre Gutmüthigkeit und Anspruchslosigkeit doch willig anerkannt; abgesehen davon, daß der Zauber ihrer Erscheinung über allen Widerspruch erhaben war. Man freute sich, daß sie endlich von dem Alp, der so lange auf ihrem Herzen gelastet, erlöst sei und war äußerst begierig zu wissen, wen sie demnächst mit ih¬ rer Hand beglücken werde. Denn daß eine so junge, lebenslustige Frau jetzt, da sie sich wieder frei fühlen konnte, nicht lange unvermählt bleiben könne, schien unzweifelhaft. In der allerletzten Zeit war, man wußte nicht recht durch wen? das Gerücht verbreitet worden, Baron Oldenburg habe bei weitem die mei¬ sten Aussichten; ja, ganz unter der Hand, und als ein bloßes on dit, das man mittheilte, ohne sich für die Wahrheit desselben verbürgen zu wollen, ja, ohne nur selbst daran zu glauben, erzählte man sich, eine
Berkow's wurde nichts blos im Kreiſe der Jüngeren lebhaft debattirt. Melitta war eine der gefeiertſten Damen der Geſellſchaft und hatte trotzdem merk¬ würdigerweiſe wenig Neider und Feinde. Hin und wieder zwar wurde ihr ein etwas excentriſches Weſen, eine Neigung zum Beſondern, Ungewöhnlichen zum Vorwurf gemacht; dieſer meinte, ſie ſei ihm zu ge¬ bildet; jener, ſie kokettire mit dem Liberalismus — aber im Allgemeinen wurde ihre Liebenswürdigkeit, ihre Gutmüthigkeit und Anſpruchsloſigkeit doch willig anerkannt; abgeſehen davon, daß der Zauber ihrer Erſcheinung über allen Widerſpruch erhaben war. Man freute ſich, daß ſie endlich von dem Alp, der ſo lange auf ihrem Herzen gelaſtet, erlöſt ſei und war äußerſt begierig zu wiſſen, wen ſie demnächſt mit ih¬ rer Hand beglücken werde. Denn daß eine ſo junge, lebensluſtige Frau jetzt, da ſie ſich wieder frei fühlen konnte, nicht lange unvermählt bleiben könne, ſchien unzweifelhaft. In der allerletzten Zeit war, man wußte nicht recht durch wen? das Gerücht verbreitet worden, Baron Oldenburg habe bei weitem die mei¬ ſten Ausſichten; ja, ganz unter der Hand, und als ein bloßes on dit, das man mittheilte, ohne ſich für die Wahrheit deſſelben verbürgen zu wollen, ja, ohne nur ſelbſt daran zu glauben, erzählte man ſich, eine
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Berkow's wurde nichts blos im Kreiſe der Jüngeren
lebhaft debattirt. Melitta war eine der gefeiertſten
Damen der Geſellſchaft und hatte trotzdem merk¬
würdigerweiſe wenig Neider und Feinde. Hin und
wieder zwar wurde ihr ein etwas excentriſches Weſen,
eine Neigung zum Beſondern, Ungewöhnlichen zum
Vorwurf gemacht; dieſer meinte, ſie ſei ihm zu ge¬
bildet; jener, ſie kokettire mit dem Liberalismus —
aber im Allgemeinen wurde ihre Liebenswürdigkeit,
ihre Gutmüthigkeit und Anſpruchsloſigkeit doch willig
anerkannt; abgeſehen davon, daß der Zauber ihrer
Erſcheinung über allen Widerſpruch erhaben war.
Man freute ſich, daß ſie endlich von dem Alp, der ſo
lange auf ihrem Herzen gelaſtet, erlöſt ſei und war
äußerſt begierig zu wiſſen, wen ſie demnächſt mit ih¬
rer Hand beglücken werde. Denn daß eine ſo junge,
lebensluſtige Frau jetzt, da ſie ſich wieder frei fühlen
konnte, nicht lange unvermählt bleiben könne, ſchien
unzweifelhaft. In der allerletzten Zeit war, man
wußte nicht recht durch wen? das Gerücht verbreitet
worden, Baron Oldenburg habe bei weitem die mei¬
ſten Ausſichten; ja, ganz unter der Hand, und als
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/250>, abgerufen am 22.12.2024.
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