Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

in Hand durch die Thür herein; Helene in weiß, mit
einem Kranz von dunkelrothen Rosen im Haar; Tante
Berkow in schwarz, das Haar, wie sie es immer trägt.
Tante Berkow führte Dir Helene zu, und ihr sankt
euch in die Arme und weintet und küßtet euch; und
dann trat Tante Berkow an mein Bett und sagte:
so Bruno, nun kannst Du schlafen gehen. Da fielen
mir die Augen zu; es wurde Nacht um mich her; ich
sank mit dem Bett tiefer und tiefer und schneller und
immer schneller -- darüber bin ich vor Schreck auf¬
gewacht."

"Fühlst Du Dich kränker, Bruno?" fragte Os¬
wald, den diese Phantasieen besorgt machten.

"Im Gegentheil," erwiederte Bruno; "der Schlaf
hat mir sehr wohl gethan. Meine Schmerzen sind
bedeutend geringer; aber ich fühle mich sehr matt.
Ich glaube, ich könnte schlafen."

Er legte sein Haupt auf die Seite; aber schon nach
wenigen Augenblicken fuhr er wieder auf:

"Oswald, willst Du mir einen recht, recht großen
Gefallen thun?"

"Gewiß! was soll ich!"

"Bitte, zieh Dich an und geh hinunter in die Ge¬
sellschaft."

"Um alles in der Welt nicht!"

in Hand durch die Thür herein; Helene in weiß, mit
einem Kranz von dunkelrothen Roſen im Haar; Tante
Berkow in ſchwarz, das Haar, wie ſie es immer trägt.
Tante Berkow führte Dir Helene zu, und ihr ſankt
euch in die Arme und weintet und küßtet euch; und
dann trat Tante Berkow an mein Bett und ſagte:
ſo Bruno, nun kannſt Du ſchlafen gehen. Da fielen
mir die Augen zu; es wurde Nacht um mich her; ich
ſank mit dem Bett tiefer und tiefer und ſchneller und
immer ſchneller — darüber bin ich vor Schreck auf¬
gewacht.“

„Fühlſt Du Dich kränker, Bruno?“ fragte Os¬
wald, den dieſe Phantaſieen beſorgt machten.

„Im Gegentheil,“ erwiederte Bruno; „der Schlaf
hat mir ſehr wohl gethan. Meine Schmerzen ſind
bedeutend geringer; aber ich fühle mich ſehr matt.
Ich glaube, ich könnte ſchlafen.“

Er legte ſein Haupt auf die Seite; aber ſchon nach
wenigen Augenblicken fuhr er wieder auf:

„Oswald, willſt Du mir einen recht, recht großen
Gefallen thun?“

„Gewiß! was ſoll ich!“

„Bitte, zieh Dich an und geh hinunter in die Ge¬
ſellſchaft.“

„Um alles in der Welt nicht!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0266" n="256"/>
in Hand durch die Thür herein; Helene in weiß, mit<lb/>
einem Kranz von dunkelrothen Ro&#x017F;en im Haar; Tante<lb/>
Berkow in &#x017F;chwarz, das Haar, wie &#x017F;ie es immer trägt.<lb/>
Tante Berkow führte Dir Helene zu, und ihr &#x017F;ankt<lb/>
euch in die Arme und weintet und küßtet euch; und<lb/>
dann trat Tante Berkow an mein Bett und &#x017F;agte:<lb/>
&#x017F;o Bruno, nun kann&#x017F;t Du &#x017F;chlafen gehen. Da fielen<lb/>
mir die Augen zu; es wurde Nacht um mich her; ich<lb/>
&#x017F;ank mit dem Bett tiefer und tiefer und &#x017F;chneller und<lb/>
immer &#x017F;chneller &#x2014; darüber bin ich vor Schreck auf¬<lb/>
gewacht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Fühl&#x017F;t Du Dich kränker, Bruno?&#x201C; fragte Os¬<lb/>
wald, den die&#x017F;e Phanta&#x017F;ieen be&#x017F;orgt machten.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Im Gegentheil,&#x201C; erwiederte Bruno; &#x201E;der Schlaf<lb/>
hat mir &#x017F;ehr wohl gethan. Meine Schmerzen &#x017F;ind<lb/>
bedeutend geringer; aber ich fühle mich &#x017F;ehr matt.<lb/>
Ich glaube, ich könnte &#x017F;chlafen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er legte &#x017F;ein Haupt auf die Seite; aber &#x017F;chon nach<lb/>
wenigen Augenblicken fuhr er wieder auf:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Oswald, will&#x017F;t Du mir einen recht, recht großen<lb/>
Gefallen thun?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gewiß! was &#x017F;oll ich!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Bitte, zieh Dich an und geh hinunter in die Ge¬<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um alles in der Welt nicht!&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0266] in Hand durch die Thür herein; Helene in weiß, mit einem Kranz von dunkelrothen Roſen im Haar; Tante Berkow in ſchwarz, das Haar, wie ſie es immer trägt. Tante Berkow führte Dir Helene zu, und ihr ſankt euch in die Arme und weintet und küßtet euch; und dann trat Tante Berkow an mein Bett und ſagte: ſo Bruno, nun kannſt Du ſchlafen gehen. Da fielen mir die Augen zu; es wurde Nacht um mich her; ich ſank mit dem Bett tiefer und tiefer und ſchneller und immer ſchneller — darüber bin ich vor Schreck auf¬ gewacht.“ „Fühlſt Du Dich kränker, Bruno?“ fragte Os¬ wald, den dieſe Phantaſieen beſorgt machten. „Im Gegentheil,“ erwiederte Bruno; „der Schlaf hat mir ſehr wohl gethan. Meine Schmerzen ſind bedeutend geringer; aber ich fühle mich ſehr matt. Ich glaube, ich könnte ſchlafen.“ Er legte ſein Haupt auf die Seite; aber ſchon nach wenigen Augenblicken fuhr er wieder auf: „Oswald, willſt Du mir einen recht, recht großen Gefallen thun?“ „Gewiß! was ſoll ich!“ „Bitte, zieh Dich an und geh hinunter in die Ge¬ ſellſchaft.“ „Um alles in der Welt nicht!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/266
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/266>, abgerufen am 23.12.2024.