laut -- aber es ist schwer, wenn man eine Rolle spielt, zu welcher man sich zwingen muß, die Grenzen nicht zu überschreiten; von Cloten dagegen machte von dem Vorrecht der Leute in seiner Situation, die gleich¬ gültigsten Dinge im Flüsterton mit obligatem bedeu¬ tungsvollen Lächeln in die Ohren zu raunen, den aus¬ gedehntesten Gebrauch.
Oswald hatte von der plötzlichen Verlobung dieser Beiden gehört; er wußte wol am besten, wie dieselbe zu Stande gekommen war. Er erinnerte sich, wie wegwerfend Emilie an dem Abend in Barnewitz sich über Cloten geäußert hatte. Jetzt war sie seine Braut. -- Es wird eine glückliche Ehe werden; dachte Oswald, und er mußte sich sagen, daß er nicht den kleinsten Theil der Schuld an diesem Un¬ glück trage.
Ein paar Augenblicke später kam Helene in seine Nähe. Sie tanzte mit von Sylow. Oswald hatte sie schon längere Zeit beobachtet, und bemerkt, daß sie schweigend und kalt, wie eine Marmorstatue neben ihrem Tänzer stand, der die Hoffnungslosigkeit seiner Bemühungen, eine Conversation zu Stande zu brin¬ gen, eingesehen zu haben und den Kronleuchtern eine specielle Aufmerksamkeit zu widmen schien. Sobald sie Oswald erblickte, flog ein Strahl des Lebens über
laut — aber es iſt ſchwer, wenn man eine Rolle ſpielt, zu welcher man ſich zwingen muß, die Grenzen nicht zu überſchreiten; von Cloten dagegen machte von dem Vorrecht der Leute in ſeiner Situation, die gleich¬ gültigſten Dinge im Flüſterton mit obligatem bedeu¬ tungsvollen Lächeln in die Ohren zu raunen, den aus¬ gedehnteſten Gebrauch.
Oswald hatte von der plötzlichen Verlobung dieſer Beiden gehört; er wußte wol am beſten, wie dieſelbe zu Stande gekommen war. Er erinnerte ſich, wie wegwerfend Emilie an dem Abend in Barnewitz ſich über Cloten geäußert hatte. Jetzt war ſie ſeine Braut. — Es wird eine glückliche Ehe werden; dachte Oswald, und er mußte ſich ſagen, daß er nicht den kleinſten Theil der Schuld an dieſem Un¬ glück trage.
Ein paar Augenblicke ſpäter kam Helene in ſeine Nähe. Sie tanzte mit von Sylow. Oswald hatte ſie ſchon längere Zeit beobachtet, und bemerkt, daß ſie ſchweigend und kalt, wie eine Marmorſtatue neben ihrem Tänzer ſtand, der die Hoffnungsloſigkeit ſeiner Bemühungen, eine Converſation zu Stande zu brin¬ gen, eingeſehen zu haben und den Kronleuchtern eine ſpecielle Aufmerkſamkeit zu widmen ſchien. Sobald ſie Oswald erblickte, flog ein Strahl des Lebens über
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laut — aber es iſt ſchwer, wenn man eine Rolle
ſpielt, zu welcher man ſich zwingen muß, die Grenzen
nicht zu überſchreiten; von Cloten dagegen machte von
dem Vorrecht der Leute in ſeiner Situation, die gleich¬
gültigſten Dinge im Flüſterton mit obligatem bedeu¬
tungsvollen Lächeln in die Ohren zu raunen, den aus¬
gedehnteſten Gebrauch.
Oswald hatte von der plötzlichen Verlobung dieſer
Beiden gehört; er wußte wol am beſten, wie dieſelbe
zu Stande gekommen war. Er erinnerte ſich, wie
wegwerfend Emilie an dem Abend in Barnewitz ſich
über Cloten geäußert hatte. Jetzt war ſie ſeine
Braut. — Es wird eine glückliche Ehe werden;
dachte Oswald, und er mußte ſich ſagen, daß er
nicht den kleinſten Theil der Schuld an dieſem Un¬
glück trage.
Ein paar Augenblicke ſpäter kam Helene in ſeine
Nähe. Sie tanzte mit von Sylow. Oswald hatte
ſie ſchon längere Zeit beobachtet, und bemerkt, daß ſie
ſchweigend und kalt, wie eine Marmorſtatue neben
ihrem Tänzer ſtand, der die Hoffnungsloſigkeit ſeiner
Bemühungen, eine Converſation zu Stande zu brin¬
gen, eingeſehen zu haben und den Kronleuchtern eine
ſpecielle Aufmerkſamkeit zu widmen ſchien. Sobald
ſie Oswald erblickte, flog ein Strahl des Lebens über
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/272>, abgerufen am 23.12.2024.
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