des Ideals war in der fieberhaften Rastlosigkeit, mit der er sich auf alles Neue warf, in dem Ehrgeiz, welcher ihn trieb, überall der Erste zu sein, oder wenigstens als solcher zu erscheinen, ja selbst in seiner maßlosen Eitelkeit und in der unglaublichen Sorgfalt, die er auf seine äußere Erscheinung verwandte, unver¬ kennbar. Hätte er jemals den Ernst des Lebens ken¬ nen gelernt, hätte er nur einmal sein Brod mit Thrä¬ neu essen müssen, er wäre vielleicht zu retten gewesen. So ließ er sich, ohne jemals über seine Lage nach¬ denken zu wollen oder zu können, von dem Strudel seiner Leidenschaften näher und immer näher an den Punkt treiben, wo er, wenn nicht ein Wunder da¬ zwischen trat, unfehlbar versinken mußte.
Ob es ihm mit der Aenderung seines Lebens, über die er mit der Baronin so viel correspondirt hatte, Ernst war? wol schwerlich. Das Garnisonsleben war ihm langweilig geworden; die Schaar der Gläu¬ biger immer dringender und seine Situation der Art, daß, als er betreffenden Orts um längeren Urlaub einkam, man ihm zu verstehen gab, er thäte, wenn seine Gesundheit wirklich so angegriffen sei, vielleicht besser, sogleich seinen Abschied zu nehmen. Gerade in dieser kritischen Zeit machte ihm die Baronin Gren¬ witz ihre Anerbietungen betreff Helene's. Felix, der
des Ideals war in der fieberhaften Raſtloſigkeit, mit der er ſich auf alles Neue warf, in dem Ehrgeiz, welcher ihn trieb, überall der Erſte zu ſein, oder wenigſtens als ſolcher zu erſcheinen, ja ſelbſt in ſeiner maßloſen Eitelkeit und in der unglaublichen Sorgfalt, die er auf ſeine äußere Erſcheinung verwandte, unver¬ kennbar. Hätte er jemals den Ernſt des Lebens ken¬ nen gelernt, hätte er nur einmal ſein Brod mit Thrä¬ neu eſſen müſſen, er wäre vielleicht zu retten geweſen. So ließ er ſich, ohne jemals über ſeine Lage nach¬ denken zu wollen oder zu können, von dem Strudel ſeiner Leidenſchaften näher und immer näher an den Punkt treiben, wo er, wenn nicht ein Wunder da¬ zwiſchen trat, unfehlbar verſinken mußte.
Ob es ihm mit der Aenderung ſeines Lebens, über die er mit der Baronin ſo viel correſpondirt hatte, Ernſt war? wol ſchwerlich. Das Garniſonsleben war ihm langweilig geworden; die Schaar der Gläu¬ biger immer dringender und ſeine Situation der Art, daß, als er betreffenden Orts um längeren Urlaub einkam, man ihm zu verſtehen gab, er thäte, wenn ſeine Geſundheit wirklich ſo angegriffen ſei, vielleicht beſſer, ſogleich ſeinen Abſchied zu nehmen. Gerade in dieſer kritiſchen Zeit machte ihm die Baronin Gren¬ witz ihre Anerbietungen betreff Helene's. Felix, der
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des Ideals war in der fieberhaften Raſtloſigkeit, mit
der er ſich auf alles Neue warf, in dem Ehrgeiz,
welcher ihn trieb, überall der Erſte zu ſein, oder
wenigſtens als ſolcher zu erſcheinen, ja ſelbſt in ſeiner
maßloſen Eitelkeit und in der unglaublichen Sorgfalt,
die er auf ſeine äußere Erſcheinung verwandte, unver¬
kennbar. Hätte er jemals den Ernſt des Lebens ken¬
nen gelernt, hätte er nur einmal ſein Brod mit Thrä¬
neu eſſen müſſen, er wäre vielleicht zu retten geweſen.
So ließ er ſich, ohne jemals über ſeine Lage nach¬
denken zu wollen oder zu können, von dem Strudel
ſeiner Leidenſchaften näher und immer näher an den
Punkt treiben, wo er, wenn nicht ein Wunder da¬
zwiſchen trat, unfehlbar verſinken mußte.
Ob es ihm mit der Aenderung ſeines Lebens, über
die er mit der Baronin ſo viel correſpondirt hatte,
Ernſt war? wol ſchwerlich. Das Garniſonsleben
war ihm langweilig geworden; die Schaar der Gläu¬
biger immer dringender und ſeine Situation der Art,
daß, als er betreffenden Orts um längeren Urlaub
einkam, man ihm zu verſtehen gab, er thäte, wenn
ſeine Geſundheit wirklich ſo angegriffen ſei, vielleicht
beſſer, ſogleich ſeinen Abſchied zu nehmen. Gerade
in dieſer kritiſchen Zeit machte ihm die Baronin Gren¬
witz ihre Anerbietungen betreff Helene's. Felix, der
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/49>, abgerufen am 22.12.2024.
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