eben gesprochen hatten, zerraufend, durch die Zähne sagte: "Sieh, Helene, so zerreißest Du mein Herz, wenn Du schwach genug bist, diesen Felix zu lieben!" -- "Das alte Lied, Bruno?" -- "Ja, das alte Lied; und ich will Dir es singen, so lange ich noch, Athem in der Brust habe! Meinst Du, ich weiß nicht, was es bedeutet, wenn Tante und Felix die Köpfe zusammen stecken und von Zeit zu Zeit verstohlen auf Dich blicken? O! mein Auge ist scharf, und mein Ohr ist es nicht minder. Gestern, als ich an ihnen vorüber¬ strich, meinte der saubere Herr: sie wird schon zur Vernunft kommen! sie -- das bist Du: und zur Ver¬ nunft kommen, heißt: sie wird allen Stolz so weit vergessen, und einen solchen jämmerlich eitlen Pfauen, wie ich einer bin, heiraten." -- "Aber, wie kommst Du nur auf diese Gedanken, Bruno?" -- "Nun, ich dächte, sie lägen nahe genug; und Dir gehen sie auch durch den Kopf, oder weshalb blicktest Du oft so in Dich versunken vor Dich hin und dann plötz¬ lich zu Felix oder zu Oswald hinüber, als ob Du sie mit einander verglichest. Ja, vergleiche sie nur immer! Du wirst dann den Unterschied entdecken zwischen einem Manne und -- einem Affen." "Du hast wol Herrn Stein sehr lieb, Bruno? Ist er denn immer so still und traurig, wie jetzt?" "Bewahre
eben geſprochen hatten, zerraufend, durch die Zähne ſagte: „Sieh, Helene, ſo zerreißeſt Du mein Herz, wenn Du ſchwach genug biſt, dieſen Felix zu lieben!“ — „Das alte Lied, Bruno?“ — „Ja, das alte Lied; und ich will Dir es ſingen, ſo lange ich noch, Athem in der Bruſt habe! Meinſt Du, ich weiß nicht, was es bedeutet, wenn Tante und Felix die Köpfe zuſammen ſtecken und von Zeit zu Zeit verſtohlen auf Dich blicken? O! mein Auge iſt ſcharf, und mein Ohr iſt es nicht minder. Geſtern, als ich an ihnen vorüber¬ ſtrich, meinte der ſaubere Herr: ſie wird ſchon zur Vernunft kommen! ſie — das biſt Du: und zur Ver¬ nunft kommen, heißt: ſie wird allen Stolz ſo weit vergeſſen, und einen ſolchen jämmerlich eitlen Pfauen, wie ich einer bin, heiraten.“ — „Aber, wie kommſt Du nur auf dieſe Gedanken, Bruno?“ — „Nun, ich dächte, ſie lägen nahe genug; und Dir gehen ſie auch durch den Kopf, oder weshalb blickteſt Du oft ſo in Dich verſunken vor Dich hin und dann plötz¬ lich zu Felix oder zu Oswald hinüber, als ob Du ſie mit einander verglicheſt. Ja, vergleiche ſie nur immer! Du wirſt dann den Unterſchied entdecken zwiſchen einem Manne und — einem Affen.“ „Du haſt wol Herrn Stein ſehr lieb, Bruno? Iſt er denn immer ſo ſtill und traurig, wie jetzt?“ „Bewahre
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eben geſprochen hatten, zerraufend, durch die Zähne
ſagte: „Sieh, Helene, ſo zerreißeſt Du mein Herz,
wenn Du ſchwach genug biſt, dieſen Felix zu lieben!“
— „Das alte Lied, Bruno?“ — „Ja, das alte Lied;
und ich will Dir es ſingen, ſo lange ich noch, Athem
in der Bruſt habe! Meinſt Du, ich weiß nicht, was
es bedeutet, wenn Tante und Felix die Köpfe zuſammen
ſtecken und von Zeit zu Zeit verſtohlen auf Dich
blicken? O! mein Auge iſt ſcharf, und mein Ohr iſt
es nicht minder. Geſtern, als ich an ihnen vorüber¬
ſtrich, meinte der ſaubere Herr: ſie wird ſchon zur
Vernunft kommen! ſie — das biſt Du: und zur Ver¬
nunft kommen, heißt: ſie wird allen Stolz ſo weit
vergeſſen, und einen ſolchen jämmerlich eitlen Pfauen,
wie ich einer bin, heiraten.“ — „Aber, wie kommſt
Du nur auf dieſe Gedanken, Bruno?“ — „Nun,
ich dächte, ſie lägen nahe genug; und Dir gehen ſie
auch durch den Kopf, oder weshalb blickteſt Du oft
ſo in Dich verſunken vor Dich hin und dann plötz¬
lich zu Felix oder zu Oswald hinüber, als ob Du
ſie mit einander verglicheſt. Ja, vergleiche ſie nur
immer! Du wirſt dann den Unterſchied entdecken
zwiſchen einem Manne und — einem Affen.“ „Du
haſt wol Herrn Stein ſehr lieb, Bruno? Iſt er denn
immer ſo ſtill und traurig, wie jetzt?“ „Bewahre
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/54>, abgerufen am 23.12.2024.
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