fielen zwei Briefe -- der eine von Melitta, der andere von Bemperlein. Melitta's Brief enthielt nur wenige herzliche Worte, die "über die lange Trennung, in welcher sich mit dem weiten Raum auch noch so vieles Andere zwischen die Herzen, die einst voller Seligkeit aneinander geschlagen, drängen könnte, klagten; und schließlich die Hoffnung eines recht baldigen Wieder¬ sehens ausdrückten. Der Brief trug keine Unterschrift. "Er könnte ja in fremde Hände fallen;" sagte Os¬ wald bitter. "Ich will noch großmüthiger sein, ich will diesen Zeugen eines Verhältnisses, dessen sie sich zu schämen beginnt, vernichten;" und verbrannte das Papier an der Flamme des Lichtes. Der Brief von Bemperlein war ausführlicher, aber er handelte fast nur von Professor Berger. Bemperlein war während seines kurzen Aufenthalts in Grünwald sehr viel in der Gesellschaft des Professors, an welchen ihn Os¬ wald so warm empfohlen hatte, gewesen, und hatte sich die Gunst des wunderlichen Mannes im hohen Grade erworben, ebenso wie er sich seinerseits für den genialen Gelehrten begeisterte. Man kann sich daher sein Entsetzen vorstellen, als Dr. Birkenhain ihm eines Tages mittheilte, so eben sei der Professor Berger in das Krankenhaus abgeliefert worden. Bemperlein schrieb Oswald, daß er sogleich um die Erlaubniß
fielen zwei Briefe — der eine von Melitta, der andere von Bemperlein. Melitta's Brief enthielt nur wenige herzliche Worte, die „über die lange Trennung, in welcher ſich mit dem weiten Raum auch noch ſo vieles Andere zwiſchen die Herzen, die einſt voller Seligkeit aneinander geſchlagen, drängen könnte, klagten; und ſchließlich die Hoffnung eines recht baldigen Wieder¬ ſehens ausdrückten. Der Brief trug keine Unterſchrift. „Er könnte ja in fremde Hände fallen;“ ſagte Os¬ wald bitter. „Ich will noch großmüthiger ſein, ich will dieſen Zeugen eines Verhältniſſes, deſſen ſie ſich zu ſchämen beginnt, vernichten;“ und verbrannte das Papier an der Flamme des Lichtes. Der Brief von Bemperlein war ausführlicher, aber er handelte faſt nur von Profeſſor Berger. Bemperlein war während ſeines kurzen Aufenthalts in Grünwald ſehr viel in der Geſellſchaft des Profeſſors, an welchen ihn Os¬ wald ſo warm empfohlen hatte, geweſen, und hatte ſich die Gunſt des wunderlichen Mannes im hohen Grade erworben, ebenſo wie er ſich ſeinerſeits für den genialen Gelehrten begeiſterte. Man kann ſich daher ſein Entſetzen vorſtellen, als Dr. Birkenhain ihm eines Tages mittheilte, ſo eben ſei der Profeſſor Berger in das Krankenhaus abgeliefert worden. Bemperlein ſchrieb Oswald, daß er ſogleich um die Erlaubniß
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fielen zwei Briefe — der eine von Melitta, der andere
von Bemperlein. Melitta's Brief enthielt nur wenige
herzliche Worte, die „über die lange Trennung, in
welcher ſich mit dem weiten Raum auch noch ſo vieles
Andere zwiſchen die Herzen, die einſt voller Seligkeit
aneinander geſchlagen, drängen könnte, klagten; und
ſchließlich die Hoffnung eines recht baldigen Wieder¬
ſehens ausdrückten. Der Brief trug keine Unterſchrift.
„Er könnte ja in fremde Hände fallen;“ ſagte Os¬
wald bitter. „Ich will noch großmüthiger ſein, ich
will dieſen Zeugen eines Verhältniſſes, deſſen ſie ſich
zu ſchämen beginnt, vernichten;“ und verbrannte das
Papier an der Flamme des Lichtes. Der Brief von
Bemperlein war ausführlicher, aber er handelte faſt
nur von Profeſſor Berger. Bemperlein war während
ſeines kurzen Aufenthalts in Grünwald ſehr viel in
der Geſellſchaft des Profeſſors, an welchen ihn Os¬
wald ſo warm empfohlen hatte, geweſen, und hatte
ſich die Gunſt des wunderlichen Mannes im hohen
Grade erworben, ebenſo wie er ſich ſeinerſeits für den
genialen Gelehrten begeiſterte. Man kann ſich daher
ſein Entſetzen vorſtellen, als Dr. Birkenhain ihm eines
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/88>, abgerufen am 22.12.2024.
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