sagte Oldenburg, als sie jetzt quer über den Rasenplatz schritten; "ich bin unendlich neugierig, dies Wunder zu sehen. Es wird uns ja Niemand bemerken."
Er schritt nach der Treppe, die auf den Perron hinaufführte. Oswald folgte. Die Thüren waren jetzt, wo es draußen kühler wurde, geschlossen, auch die Fenster; aber die Vorhänge waren nicht herunterge¬ lassen; man konnte von diesem Standpunkte aus Alles beobachten, was in den blendend hell erleuchteten Zim¬ mern vorging.
Als sie an das Fenster traten, saß ihnen gerade gegenüber Helene am Clavier, Felix stand hinter ihrem Stuhl. Er beugte sich über sie und schien eifrig mit ihr zu sprechen. Oldenburg's falkenscharfes Auge hatte sogleich die Gruppe erfaßt:
"Wer ist der junge Mann?" fragte er.
Als Oswald nicht antwortete, warf der Baron den Blick auf ihn und sah, daß er die Unterlippe zwischen die Zähne gepreßt hatte und die starren Au¬ gen nicht von den Beiden am Clavier wegwandte. Felix beugte sich noch tiefer; Oswald preßte die Lippe, daß das Blut durch die Haut sprang. Da stand He¬ lene plötzlich auf, und schritt durch die Gruppen der Tänzer, die durch das Aufhören der Musik wie am Boden gefesselt waren, oder lachend weiter zu tanzen
ſagte Oldenburg, als ſie jetzt quer über den Raſenplatz ſchritten; „ich bin unendlich neugierig, dies Wunder zu ſehen. Es wird uns ja Niemand bemerken.“
Er ſchritt nach der Treppe, die auf den Perron hinaufführte. Oswald folgte. Die Thüren waren jetzt, wo es draußen kühler wurde, geſchloſſen, auch die Fenſter; aber die Vorhänge waren nicht herunterge¬ laſſen; man konnte von dieſem Standpunkte aus Alles beobachten, was in den blendend hell erleuchteten Zim¬ mern vorging.
Als ſie an das Fenſter traten, ſaß ihnen gerade gegenüber Helene am Clavier, Felix ſtand hinter ihrem Stuhl. Er beugte ſich über ſie und ſchien eifrig mit ihr zu ſprechen. Oldenburg's falkenſcharfes Auge hatte ſogleich die Gruppe erfaßt:
„Wer iſt der junge Mann?“ fragte er.
Als Oswald nicht antwortete, warf der Baron den Blick auf ihn und ſah, daß er die Unterlippe zwiſchen die Zähne gepreßt hatte und die ſtarren Au¬ gen nicht von den Beiden am Clavier wegwandte. Felix beugte ſich noch tiefer; Oswald preßte die Lippe, daß das Blut durch die Haut ſprang. Da ſtand He¬ lene plötzlich auf, und ſchritt durch die Gruppen der Tänzer, die durch das Aufhören der Muſik wie am Boden gefeſſelt waren, oder lachend weiter zu tanzen
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[84/0094]
ſagte Oldenburg, als ſie jetzt quer über den Raſenplatz
ſchritten; „ich bin unendlich neugierig, dies Wunder
zu ſehen. Es wird uns ja Niemand bemerken.“
Er ſchritt nach der Treppe, die auf den Perron
hinaufführte. Oswald folgte. Die Thüren waren jetzt,
wo es draußen kühler wurde, geſchloſſen, auch die
Fenſter; aber die Vorhänge waren nicht herunterge¬
laſſen; man konnte von dieſem Standpunkte aus Alles
beobachten, was in den blendend hell erleuchteten Zim¬
mern vorging.
Als ſie an das Fenſter traten, ſaß ihnen gerade
gegenüber Helene am Clavier, Felix ſtand hinter ihrem
Stuhl. Er beugte ſich über ſie und ſchien eifrig mit
ihr zu ſprechen. Oldenburg's falkenſcharfes Auge hatte
ſogleich die Gruppe erfaßt:
„Wer iſt der junge Mann?“ fragte er.
Als Oswald nicht antwortete, warf der Baron
den Blick auf ihn und ſah, daß er die Unterlippe
zwiſchen die Zähne gepreßt hatte und die ſtarren Au¬
gen nicht von den Beiden am Clavier wegwandte.
Felix beugte ſich noch tiefer; Oswald preßte die Lippe,
daß das Blut durch die Haut ſprang. Da ſtand He¬
lene plötzlich auf, und ſchritt durch die Gruppen der
Tänzer, die durch das Aufhören der Muſik wie am
Boden gefeſſelt waren, oder lachend weiter zu tanzen
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/94>, abgerufen am 26.06.2024.
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