Bürgermeister. Sie starb als Christin, sie genießt schon den Lohn, der Ihrer noch harrt.
Friedrich. (wischt sich die Augen und betrachtet seine Hand) O ihr Hartherzi- gen! habt ihr keine Thräne für ein treues Weib? Ich kann nicht einmal mehr weinen.
Bürgermeister. Ihr ist wohl!
Friedrich. Ach, wenn sie nur nicht ver- zweifelnd starb.
Bürgermeister. Freuen Sie sich, Ihre Kinder kommen.
Friedrich. Meine Kinder! meine Kin- der!
Er sank in ihre Arme, und lag sprachlos darinne. Nur sie fehlt, rief er endlich aus, dann wäre die Freude vollkommen! -- Da man jetzt dem Bürgermeister meldete, daß das Volk mit Gewalt in's Rathhaus dringe, so führte er Frie- drichen und seine Kinder selbst hinab. Schon auf der Treppe empfieng ihn die Menge, sie ergriffen sogleich Friedrichen samt den Kindern, und tru- gen alle auf ihren Schultern hinab. Groß war der Jubel, laut das Freudengeschrei, als aber alle die hagre, blasse Gestalt der Unschuldigen sa- hen, da wich nach und nach die Freude der Rüh-
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Friedrich. Ohne Troſt? ohne Hofnung?
Buͤrgermeiſter. Sie ſtarb als Chriſtin, ſie genießt ſchon den Lohn, der Ihrer noch harrt.
Friedrich. (wiſcht ſich die Augen und betrachtet ſeine Hand) O ihr Hartherzi- gen! habt ihr keine Thraͤne fuͤr ein treues Weib? Ich kann nicht einmal mehr weinen.
Buͤrgermeiſter. Ihr iſt wohl!
Friedrich. Ach, wenn ſie nur nicht ver- zweifelnd ſtarb.
Buͤrgermeiſter. Freuen Sie ſich, Ihre Kinder kommen.
Friedrich. Meine Kinder! meine Kin- der!
Er ſank in ihre Arme, und lag ſprachlos darinne. Nur ſie fehlt, rief er endlich aus, dann waͤre die Freude vollkommen! — Da man jetzt dem Buͤrgermeiſter meldete, daß das Volk mit Gewalt in's Rathhaus dringe, ſo fuͤhrte er Frie- drichen und ſeine Kinder ſelbſt hinab. Schon auf der Treppe empfieng ihn die Menge, ſie ergriffen ſogleich Friedrichen ſamt den Kindern, und tru- gen alle auf ihren Schultern hinab. Groß war der Jubel, laut das Freudengeſchrei, als aber alle die hagre, blaſſe Geſtalt der Unſchuldigen ſa- hen, da wich nach und nach die Freude der Ruͤh-
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Friedrich. Ohne Troſt? ohne Hofnung?
Buͤrgermeiſter. Sie ſtarb als Chriſtin,
ſie genießt ſchon den Lohn, der Ihrer noch
harrt.
Friedrich. (wiſcht ſich die Augen und
betrachtet ſeine Hand) O ihr Hartherzi-
gen! habt ihr keine Thraͤne fuͤr ein treues Weib?
Ich kann nicht einmal mehr weinen.
Buͤrgermeiſter. Ihr iſt wohl!
Friedrich. Ach, wenn ſie nur nicht ver-
zweifelnd ſtarb.
Buͤrgermeiſter. Freuen Sie ſich, Ihre
Kinder kommen.
Friedrich. Meine Kinder! meine Kin-
der!
Er ſank in ihre Arme, und lag ſprachlos
darinne. Nur ſie fehlt, rief er endlich aus, dann
waͤre die Freude vollkommen! — Da man jetzt
dem Buͤrgermeiſter meldete, daß das Volk mit
Gewalt in's Rathhaus dringe, ſo fuͤhrte er Frie-
drichen und ſeine Kinder ſelbſt hinab. Schon auf
der Treppe empfieng ihn die Menge, ſie ergriffen
ſogleich Friedrichen ſamt den Kindern, und tru-
gen alle auf ihren Schultern hinab. Groß war
der Jubel, laut das Freudengeſchrei, als aber
alle die hagre, blaſſe Geſtalt der Unſchuldigen ſa-
hen, da wich nach und nach die Freude der Ruͤh-
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/161>, abgerufen am 16.02.2025.
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