Ich. Der Ring freilich nichts, aber das dar- aus gelöste Kapital könnte ihren Zustand doch um vieles verbessern, ihr Kost und Bedienung auf ih- re ganze Lebenszeit sichern!
Die Alte. (bitter lachend) Auf wie lan- ge? Auf ihre ganze Lebenszeit? (heftig) Nicht auf vier Wochen! Sie glauben gar nicht, was mein Kind alles braucht. Sie können's gar nicht begreifen! Ich muß es doch seinem Stande ge- mäß erziehen. Ich muß meiner Tochter doch vier Bediente, eine Kammerjungfer, zwei Stubenmäd- chen halten, sie will auch Wagen und Pferde ha- ben! das alles kostet Geld, ohne noch an Klei- dung und Kost zu denken. Sagen Sie selbst, sind zwölf Speisen für eine solche Dame zu viel?
Ich. (voll Erstaunen) Aber, Ma- dam! -- --
Die Alte. (äusserst zornig) Ei was! Madam! Madam! So nennt man jede Bür- gersfrau, mir gebührt der Titel Exzellenz, und ich werde mir solchen nicht von jedem fremden Laffen rauben lassen! Gehe er mir aus dem Ge- sichte, oder ich rufe meinen Bedienten, und laß ihn derb abprügeln! Das ist der Dank, wenn man sich mit solchen hergelaufnen Burschen ab- giebt, und ihre unverschämte Liebes-Erklärung anhört. Wie können Sie nur glauben, daß sich eine Dame meines Ranges so weit herablassen kann, Ihnen ihre Hand zu reichen? Fürsten und
Ich. Der Ring freilich nichts, aber das dar- aus geloͤſte Kapital koͤnnte ihren Zuſtand doch um vieles verbeſſern, ihr Koſt und Bedienung auf ih- re ganze Lebenszeit ſichern!
Die Alte. (bitter lachend) Auf wie lan- ge? Auf ihre ganze Lebenszeit? (heftig) Nicht auf vier Wochen! Sie glauben gar nicht, was mein Kind alles braucht. Sie koͤnnen's gar nicht begreifen! Ich muß es doch ſeinem Stande ge- maͤß erziehen. Ich muß meiner Tochter doch vier Bediente, eine Kammerjungfer, zwei Stubenmaͤd- chen halten, ſie will auch Wagen und Pferde ha- ben! das alles koſtet Geld, ohne noch an Klei- dung und Koſt zu denken. Sagen Sie ſelbſt, ſind zwoͤlf Speiſen fuͤr eine ſolche Dame zu viel?
Ich. (voll Erſtaunen) Aber, Ma- dam! — —
Die Alte. (aͤuſſerſt zornig) Ei was! Madam! Madam! So nennt man jede Buͤr- gersfrau, mir gebuͤhrt der Titel Exzellenz, und ich werde mir ſolchen nicht von jedem fremden Laffen rauben laſſen! Gehe er mir aus dem Ge- ſichte, oder ich rufe meinen Bedienten, und laß ihn derb abpruͤgeln! Das iſt der Dank, wenn man ſich mit ſolchen hergelaufnen Burſchen ab- giebt, und ihre unverſchaͤmte Liebes-Erklaͤrung anhoͤrt. Wie koͤnnen Sie nur glauben, daß ſich eine Dame meines Ranges ſo weit herablaſſen kann, Ihnen ihre Hand zu reichen? Fuͤrſten und
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Ich. Der Ring freilich nichts, aber das dar-
aus geloͤſte Kapital koͤnnte ihren Zuſtand doch um
vieles verbeſſern, ihr Koſt und Bedienung auf ih-
re ganze Lebenszeit ſichern!
Die Alte. (bitter lachend) Auf wie lan-
ge? Auf ihre ganze Lebenszeit? (heftig) Nicht
auf vier Wochen! Sie glauben gar nicht, was
mein Kind alles braucht. Sie koͤnnen's gar nicht
begreifen! Ich muß es doch ſeinem Stande ge-
maͤß erziehen. Ich muß meiner Tochter doch vier
Bediente, eine Kammerjungfer, zwei Stubenmaͤd-
chen halten, ſie will auch Wagen und Pferde ha-
ben! das alles koſtet Geld, ohne noch an Klei-
dung und Koſt zu denken. Sagen Sie ſelbſt, ſind
zwoͤlf Speiſen fuͤr eine ſolche Dame zu viel?
Ich. (voll Erſtaunen) Aber, Ma-
dam! — —
Die Alte. (aͤuſſerſt zornig) Ei was!
Madam! Madam! So nennt man jede Buͤr-
gersfrau, mir gebuͤhrt der Titel Exzellenz, und
ich werde mir ſolchen nicht von jedem fremden
Laffen rauben laſſen! Gehe er mir aus dem Ge-
ſichte, oder ich rufe meinen Bedienten, und laß
ihn derb abpruͤgeln! Das iſt der Dank, wenn
man ſich mit ſolchen hergelaufnen Burſchen ab-
giebt, und ihre unverſchaͤmte Liebes-Erklaͤrung
anhoͤrt. Wie koͤnnen Sie nur glauben, daß ſich
eine Dame meines Ranges ſo weit herablaſſen
kann, Ihnen ihre Hand zu reichen? Fuͤrſten und
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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