Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.der Fieberkälte sich die Medizin im Löffel tropfen, Wie der Schnee schmolz, und Wilhelm mit der Fieberkaͤlte ſich die Medizin im Loͤffel tropfen, Wie der Schnee ſchmolz, und Wilhelm mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0077" n="63"/> der Fieberkaͤlte ſich die Medizin im Loͤffel tropfen,<lb/> die der Arzt als heilſam verordnet hat?</p><lb/> <p>Wie der Schnee ſchmolz, und Wilhelm mit<lb/> ſeinem Lottchen oft ſchon im nahen Garten luſt-<lb/> wandelte, erſchollen vom Gebirge herab wieder<lb/> Kriegstrompeten, ihr Schall erſchreckte die Lieben-<lb/> den maͤchtig, die folgende Zeitung brachte ſogar<lb/> die Hiobspoſt, daß der Friedenskongreß fruchtlos<lb/> auseinander gegangen ſei, daß die Blutfahne<lb/> auf's neue wehen, das Schwert auf's neue wuͤ-<lb/> then werde. Lottchen weinte, Wilhelm blickte<lb/> traurig zur Erde, ſuchte Troſt fuͤr ſeine Geliebte,<lb/> und fand keinen. Ehe noch eine volle Woche ver-<lb/> floſſen war, und die Liebenden eben an einigen<lb/> kleinen Scheingruͤnden traurig, aber doch hoffend<lb/> nagten, kam ſchneller Befehl zum noch ſchnellern<lb/> Aufbruche. Wilhelm ſollte ſich mit ſeiner wenigen<lb/> Mannſchaft ſchon am Morgen des andern Tages<lb/> zum Stabe, der einige Stunden von ihm entfernt<lb/> lag, ziehen, und dann mit dem ganzen Regimen-<lb/> te vorwaͤrts marſchiren. Schrecklich war die gan-<lb/> ze Nacht, die er in den Armen ſeiner Geliebten<lb/> durchwachte, noch ſchrecklicher wurde der Kampf<lb/> der Trennung, weil Lottchen zwar nicht gewiß,<lb/> aber doch durch dunkle Vorboten immer mehr und<lb/> mehr uͤberzeugt wurde, daß ſie ſchwanger ſei. Die<lb/> Furcht vor der großen und nahen Schande mar-<lb/> terte ſie ſchrecklich, die Gewißheit der nahen<lb/> Trennung machte ſie unfaͤhig, dieſe Martern zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [63/0077]
der Fieberkaͤlte ſich die Medizin im Loͤffel tropfen,
die der Arzt als heilſam verordnet hat?
Wie der Schnee ſchmolz, und Wilhelm mit
ſeinem Lottchen oft ſchon im nahen Garten luſt-
wandelte, erſchollen vom Gebirge herab wieder
Kriegstrompeten, ihr Schall erſchreckte die Lieben-
den maͤchtig, die folgende Zeitung brachte ſogar
die Hiobspoſt, daß der Friedenskongreß fruchtlos
auseinander gegangen ſei, daß die Blutfahne
auf's neue wehen, das Schwert auf's neue wuͤ-
then werde. Lottchen weinte, Wilhelm blickte
traurig zur Erde, ſuchte Troſt fuͤr ſeine Geliebte,
und fand keinen. Ehe noch eine volle Woche ver-
floſſen war, und die Liebenden eben an einigen
kleinen Scheingruͤnden traurig, aber doch hoffend
nagten, kam ſchneller Befehl zum noch ſchnellern
Aufbruche. Wilhelm ſollte ſich mit ſeiner wenigen
Mannſchaft ſchon am Morgen des andern Tages
zum Stabe, der einige Stunden von ihm entfernt
lag, ziehen, und dann mit dem ganzen Regimen-
te vorwaͤrts marſchiren. Schrecklich war die gan-
ze Nacht, die er in den Armen ſeiner Geliebten
durchwachte, noch ſchrecklicher wurde der Kampf
der Trennung, weil Lottchen zwar nicht gewiß,
aber doch durch dunkle Vorboten immer mehr und
mehr uͤberzeugt wurde, daß ſie ſchwanger ſei. Die
Furcht vor der großen und nahen Schande mar-
terte ſie ſchrecklich, die Gewißheit der nahen
Trennung machte ſie unfaͤhig, dieſe Martern zu
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