Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.cher als mit mancher andern zu leben hoffe. Da cher als mit mancher andern zu leben hoffe. Da <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="82"/> cher als mit mancher andern zu leben hoffe. Da<lb/> uͤbrigens Lottchen ſchon aͤußerſt viel gelitten hatte,<lb/> und mehr zu leiden nicht faͤhig war, ſo ward<lb/> beſchloſſen, ihr jetzt den Tod des Vaters nicht<lb/> kund zu machen, und ſorgfaͤltig zu verhuͤten, daß<lb/> niemand ihr ſolches entdecke; dieſer Vorſatz war<lb/> ſehr leicht auszufuͤhren, weil immer einige Weiber<lb/> des Dorfs bei Lottchen wachten, jeden, der ſich<lb/> ihr naͤherte, vorher unterrichten, und alle, denen<lb/> ſie nicht trauten, entfernen konnten: aber die gut-<lb/> herzigen Seelen bedachten nicht, daß das arme<lb/> Kind bald nach einer Unterredung mit dem Vater<lb/> bangen, ſich ſtark genug fuͤhlen werde, ihn beſu-<lb/> chen zu wollen. Ueberdies lag die Schule ſehr<lb/> nahe an der Kirche, die Leiche des alten Vaters<lb/> mußte nahe daran voruͤber getragen werden, Glo-<lb/> ckengelaͤute und Trauerlieder mußten ſie aufmerk-<lb/> ſam und argwoͤhniſch machen. Schon am andern<lb/> Morgen forſchte Lottchen ſehr ſorgfaͤltig nach dem<lb/> Befinden ihres Vaters, ſie hatte ihn im Traume<lb/> im Sarge geſehen, und wollte nun mit Gewalt<lb/> auf die Pfarre gehen. Mit vieler Muͤhe gelang<lb/> es den Waͤrterinnen, ſie eines andern zu uͤberre-<lb/> den, ſie brachten ihr Botſchaft vom Vater, der<lb/> ihr Schonung und Ruhe gebot, und ſie morgen<lb/> oder uͤbermorgen zu beſuchen verſprach. Dieſe<lb/> Nachricht ſchien ſie zu beruhigen, als aber am<lb/> Mittage alle Glocken der ganzen Gemeinde den<lb/> Tod ihres Pfarrers verkuͤndigten, da forſchte ſie<lb/> auf's neue aͤngſtlich nach der Urſache. Man er-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0096]
cher als mit mancher andern zu leben hoffe. Da
uͤbrigens Lottchen ſchon aͤußerſt viel gelitten hatte,
und mehr zu leiden nicht faͤhig war, ſo ward
beſchloſſen, ihr jetzt den Tod des Vaters nicht
kund zu machen, und ſorgfaͤltig zu verhuͤten, daß
niemand ihr ſolches entdecke; dieſer Vorſatz war
ſehr leicht auszufuͤhren, weil immer einige Weiber
des Dorfs bei Lottchen wachten, jeden, der ſich
ihr naͤherte, vorher unterrichten, und alle, denen
ſie nicht trauten, entfernen konnten: aber die gut-
herzigen Seelen bedachten nicht, daß das arme
Kind bald nach einer Unterredung mit dem Vater
bangen, ſich ſtark genug fuͤhlen werde, ihn beſu-
chen zu wollen. Ueberdies lag die Schule ſehr
nahe an der Kirche, die Leiche des alten Vaters
mußte nahe daran voruͤber getragen werden, Glo-
ckengelaͤute und Trauerlieder mußten ſie aufmerk-
ſam und argwoͤhniſch machen. Schon am andern
Morgen forſchte Lottchen ſehr ſorgfaͤltig nach dem
Befinden ihres Vaters, ſie hatte ihn im Traume
im Sarge geſehen, und wollte nun mit Gewalt
auf die Pfarre gehen. Mit vieler Muͤhe gelang
es den Waͤrterinnen, ſie eines andern zu uͤberre-
den, ſie brachten ihr Botſchaft vom Vater, der
ihr Schonung und Ruhe gebot, und ſie morgen
oder uͤbermorgen zu beſuchen verſprach. Dieſe
Nachricht ſchien ſie zu beruhigen, als aber am
Mittage alle Glocken der ganzen Gemeinde den
Tod ihres Pfarrers verkuͤndigten, da forſchte ſie
auf's neue aͤngſtlich nach der Urſache. Man er-
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