Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.dem Städtchen, in welchem er das Schusterhand- So lange dieß Geld zum nöthigen Lebensun- Eben war er zwanzig Jahr alt, und sein Beu- dem Staͤdtchen, in welchem er das Schuſterhand- So lange dieß Geld zum noͤthigen Lebensun- Eben war er zwanzig Jahr alt, und ſein Beu- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="102"/> dem Staͤdtchen, in welchem er das Schuſterhand-<lb/> werk erlernte, allgemein bekannt, manche milde<lb/> Hand oͤfnete ſich in der Folge zum Beſten des<lb/> verlaßnen Knaben, ſein Meiſter verwahrte ihm<lb/> jedes Geſchenk mit ſtrenger Redlichkeit, daher<lb/> kams, daß er anſtaͤndig gekleidet, und mit eini-<lb/> gen funfzig Gulden im Sacke ſeine Wanderſchaft<lb/> antreten konnte.</p><lb/> <p>So lange dieß Geld zum noͤthigen Lebensun-<lb/> terhalte zureichte, muͤhte er ſich nicht ſehr nach<lb/> anhaltender Arbeit, er durchzog alle kleinern Staͤd-<lb/> te, ohne dort auf den Herbergen einzukehren,<lb/> arbeitete in den groͤßern nur ſo lange, bis er<lb/> alles Merkwuͤrdige geſehen, und in ſein kleines<lb/> Tagebuch zur kuͤnftigen Erinnerung eingetragen<lb/> hatte.</p><lb/> <p>Eben war er zwanzig Jahr alt, und ſein Beu-<lb/> tel ſchon maͤchtig geleert, als er in Strasburg<lb/> anlangte. Kinder der unehligen Liebe beſitzen mei-<lb/> ſtens beſondre Talente, ſind ſelten haͤßlich, oft<lb/> ſehr ſchoͤn. Die gute Mutter Natur ſcheint des-<lb/> wegen ſo reichlich all ihre Gaben an ſie zu ver-<lb/> ſchwenden, weil dieſe Unſchuldigen ſo manche Vor-<lb/> zuͤge entbehren muͤſſen, welche nach Sitte und<lb/> Gebrauch nur die <hi rendition="#aq">legitimi nati</hi> genießen koͤnnen.<lb/> Daß Konrad viele Talente beſaß, habe ich mei-<lb/> nen Leſern ſchon mehr als einmal erzaͤhlt, daß<lb/> er aber auch vorzuͤglich ſchoͤn war, habe ich um<lb/> deswillen nicht erwaͤhnt, weil dieß der gute Juͤng-<lb/> ling ſelbſt noch nicht wußte, es vielleicht lange<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [102/0110]
dem Staͤdtchen, in welchem er das Schuſterhand-
werk erlernte, allgemein bekannt, manche milde
Hand oͤfnete ſich in der Folge zum Beſten des
verlaßnen Knaben, ſein Meiſter verwahrte ihm
jedes Geſchenk mit ſtrenger Redlichkeit, daher
kams, daß er anſtaͤndig gekleidet, und mit eini-
gen funfzig Gulden im Sacke ſeine Wanderſchaft
antreten konnte.
So lange dieß Geld zum noͤthigen Lebensun-
terhalte zureichte, muͤhte er ſich nicht ſehr nach
anhaltender Arbeit, er durchzog alle kleinern Staͤd-
te, ohne dort auf den Herbergen einzukehren,
arbeitete in den groͤßern nur ſo lange, bis er
alles Merkwuͤrdige geſehen, und in ſein kleines
Tagebuch zur kuͤnftigen Erinnerung eingetragen
hatte.
Eben war er zwanzig Jahr alt, und ſein Beu-
tel ſchon maͤchtig geleert, als er in Strasburg
anlangte. Kinder der unehligen Liebe beſitzen mei-
ſtens beſondre Talente, ſind ſelten haͤßlich, oft
ſehr ſchoͤn. Die gute Mutter Natur ſcheint des-
wegen ſo reichlich all ihre Gaben an ſie zu ver-
ſchwenden, weil dieſe Unſchuldigen ſo manche Vor-
zuͤge entbehren muͤſſen, welche nach Sitte und
Gebrauch nur die legitimi nati genießen koͤnnen.
Daß Konrad viele Talente beſaß, habe ich mei-
nen Leſern ſchon mehr als einmal erzaͤhlt, daß
er aber auch vorzuͤglich ſchoͤn war, habe ich um
deswillen nicht erwaͤhnt, weil dieß der gute Juͤng-
ling ſelbſt noch nicht wußte, es vielleicht lange
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