Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.schwärzeres Auge, die blendende Weiße ihres Ge- Zu F -- stand um diese Zeit ein junger Offi- ſchwaͤrzeres Auge, die blendende Weiße ihres Ge- Zu F — ſtand um dieſe Zeit ein junger Offi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="4"/> ſchwaͤrzeres Auge, die blendende Weiße ihres Ge-<lb/> ſichts, die Roſenfarbe ihrer Wangen lockte und<lb/> reizte jeden Juͤngling. Sie lebte in den ſteifen<lb/> Zeiten der Strickroͤcke und Puffanten, aber ſie trug<lb/> ſolche nie, und unterſchied ſich daher auf die vor-<lb/> theilhafteſte Art von allen ihren Mitſchweſtern.<lb/> Wenn dieſe auf dem Spaziergange unter der Laſt<lb/> des Reifrocks keuchten, und ihren mit Federn ge-<lb/> ſchmuͤckten Kopf kaum aufrecht tragen konnten,<lb/> wandelte ſie im leichten, ſchlanken Kleide einher,<lb/> ſchuͤtzte ihr ungepudertes Haupt mit einem leich-<lb/> ten Strohhute, ward von vielen, welche die Laſt<lb/> der Mode fuͤhlten, im Herzen beneidet, obgleich<lb/> oft auch als ein Sonderling verhoͤhnt.</p><lb/> <p>Zu F — ſtand um dieſe Zeit ein junger Offi-<lb/> zier aus D — auf Werbung, er ſah die ſchoͤne<lb/> Eſther, er ſprach und liebte ſie. Da er den Fluͤ-<lb/> gel und die Violine gleich fertig ſpielte, ſo fand<lb/> er bald Eingang im Hauſe des Vaters, welcher<lb/> die Muſik leidenſchaftlich liebte, alle Wochen eini-<lb/> gemal ein Konzert gab, bei welchem ſich alle Ken-<lb/> ner und Dilettanten zu verſammeln pflegten. Es<lb/> freuete dann den guten Alten inniglich, wenn ſei-<lb/> ne Tochter auf ihrem Fluͤgel die Bewunderung al-<lb/> ler erzwang, oder durch ihre reine, melodiſche<lb/> Stimme der ganzen Geſellſchaft vollen Beifall ab-<lb/> lockte. Sein beſter Wein, die ausgeſuchteſten Le-<lb/> ckerbiſſen wurden dann in Fuͤlle aufgetragen, und<lb/> nichts geſpart, um den Beifall zu lohnen, mit<lb/> welchem man ſeinen Liebling beehrt hatte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [4/0012]
ſchwaͤrzeres Auge, die blendende Weiße ihres Ge-
ſichts, die Roſenfarbe ihrer Wangen lockte und
reizte jeden Juͤngling. Sie lebte in den ſteifen
Zeiten der Strickroͤcke und Puffanten, aber ſie trug
ſolche nie, und unterſchied ſich daher auf die vor-
theilhafteſte Art von allen ihren Mitſchweſtern.
Wenn dieſe auf dem Spaziergange unter der Laſt
des Reifrocks keuchten, und ihren mit Federn ge-
ſchmuͤckten Kopf kaum aufrecht tragen konnten,
wandelte ſie im leichten, ſchlanken Kleide einher,
ſchuͤtzte ihr ungepudertes Haupt mit einem leich-
ten Strohhute, ward von vielen, welche die Laſt
der Mode fuͤhlten, im Herzen beneidet, obgleich
oft auch als ein Sonderling verhoͤhnt.
Zu F — ſtand um dieſe Zeit ein junger Offi-
zier aus D — auf Werbung, er ſah die ſchoͤne
Eſther, er ſprach und liebte ſie. Da er den Fluͤ-
gel und die Violine gleich fertig ſpielte, ſo fand
er bald Eingang im Hauſe des Vaters, welcher
die Muſik leidenſchaftlich liebte, alle Wochen eini-
gemal ein Konzert gab, bei welchem ſich alle Ken-
ner und Dilettanten zu verſammeln pflegten. Es
freuete dann den guten Alten inniglich, wenn ſei-
ne Tochter auf ihrem Fluͤgel die Bewunderung al-
ler erzwang, oder durch ihre reine, melodiſche
Stimme der ganzen Geſellſchaft vollen Beifall ab-
lockte. Sein beſter Wein, die ausgeſuchteſten Le-
ckerbiſſen wurden dann in Fuͤlle aufgetragen, und
nichts geſpart, um den Beifall zu lohnen, mit
welchem man ſeinen Liebling beehrt hatte.
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