Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
würfe über seine thörichte Liebe, welche er un- geachtet ihrer Ermahnung durch die unsinnigsten Briefe fortzusetzen suche. Er habe es sich, schrieb sie ferner, daher ganz allein zuzuschrei- ben, daß man zu strengern Mitteln schreite, und ihn so lange nach den Inseln verbanne, bis er von dieser strafbaren Liebe geheilt sei. Ehe er noch diesen Brief ganz gelesen hatte, eilten die Schiffe schon aus dem Hafen: er war un- tröstlich, daß er wenigstens nicht in einigen Zei- len seiner Geliebten von dieser gewaltsamen Ent- führung Nachricht geben konnte. Die Ueberfahrt war gefahrvoll, in der sechsmonatlichen Dauer derselben schwebte Friedrich oft in der größten Lebensgefahr, endlich landeten sie, und Friedrich sandte zwar mit den rückgehenden Schiffen Brie- fe an Esthern, die aber wahrscheinlich verlohren giengen, weil sie nicht mehr zu F -- wohnte, und niemand ihren Aufenthalt kannte. Friedrich vergaß auch in der weiten Entfer- nung seine Geliebte nicht, er weihte sich ganz ihrem Andenken, er beschloß, sie ewig zu lieben, und eher zu sterben, als seine Hand einer an- dern zu reichen. Er harrte achtzehn Monate lang vergebens auf Nachrichten von ihr, es landeten unter dieser Zeit verschiedene Kaufarteischiffe, aber keins kam aus dem Hafen, wohin er Est- hers Antwort bestimmt hatte. Endlich kamen auch von daher Schiffe, sie brachten ihm viele Briefe, er durchwühlte sie geschäftig, aber er
wuͤrfe uͤber ſeine thoͤrichte Liebe, welche er un- geachtet ihrer Ermahnung durch die unſinnigſten Briefe fortzuſetzen ſuche. Er habe es ſich, ſchrieb ſie ferner, daher ganz allein zuzuſchrei- ben, daß man zu ſtrengern Mitteln ſchreite, und ihn ſo lange nach den Inſeln verbanne, bis er von dieſer ſtrafbaren Liebe geheilt ſei. Ehe er noch dieſen Brief ganz geleſen hatte, eilten die Schiffe ſchon aus dem Hafen: er war un- troͤſtlich, daß er wenigſtens nicht in einigen Zei- len ſeiner Geliebten von dieſer gewaltſamen Ent- fuͤhrung Nachricht geben konnte. Die Ueberfahrt war gefahrvoll, in der ſechsmonatlichen Dauer derſelben ſchwebte Friedrich oft in der groͤßten Lebensgefahr, endlich landeten ſie, und Friedrich ſandte zwar mit den ruͤckgehenden Schiffen Brie- fe an Eſthern, die aber wahrſcheinlich verlohren giengen, weil ſie nicht mehr zu F — wohnte, und niemand ihren Aufenthalt kannte. Friedrich vergaß auch in der weiten Entfer- nung ſeine Geliebte nicht, er weihte ſich ganz ihrem Andenken, er beſchloß, ſie ewig zu lieben, und eher zu ſterben, als ſeine Hand einer an- dern zu reichen. Er harrte achtzehn Monate lang vergebens auf Nachrichten von ihr, es landeten unter dieſer Zeit verſchiedene Kaufarteiſchiffe, aber keins kam aus dem Hafen, wohin er Eſt- hers Antwort beſtimmt hatte. Endlich kamen auch von daher Schiffe, ſie brachten ihm viele Briefe, er durchwuͤhlte ſie geſchaͤftig, aber er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#FRIED"> <p><pb facs="#f0042" n="34"/> wuͤrfe uͤber ſeine thoͤrichte Liebe, welche er un-<lb/> geachtet ihrer Ermahnung durch die unſinnigſten<lb/> Briefe fortzuſetzen ſuche. Er habe es ſich,<lb/> ſchrieb ſie ferner, daher ganz allein zuzuſchrei-<lb/> ben, daß man zu ſtrengern Mitteln ſchreite,<lb/> und ihn ſo lange nach den Inſeln verbanne,<lb/> bis er von dieſer ſtrafbaren Liebe geheilt ſei. Ehe<lb/> er noch dieſen Brief ganz geleſen hatte, eilten<lb/> die Schiffe ſchon aus dem Hafen: er war un-<lb/> troͤſtlich, daß er wenigſtens nicht in einigen Zei-<lb/> len ſeiner Geliebten von dieſer gewaltſamen Ent-<lb/> fuͤhrung Nachricht geben konnte. Die Ueberfahrt<lb/> war gefahrvoll, in der ſechsmonatlichen Dauer<lb/> derſelben ſchwebte Friedrich oft in der groͤßten<lb/> Lebensgefahr, endlich landeten ſie, und Friedrich<lb/> ſandte zwar mit den ruͤckgehenden Schiffen Brie-<lb/> fe an Eſthern, die aber wahrſcheinlich verlohren<lb/> giengen, weil ſie nicht mehr zu F — wohnte,<lb/> und niemand ihren Aufenthalt kannte.</p><lb/> <p>Friedrich vergaß auch in der weiten Entfer-<lb/> nung ſeine Geliebte nicht, er weihte ſich ganz<lb/> ihrem Andenken, er beſchloß, ſie ewig zu lieben,<lb/> und eher zu ſterben, als ſeine Hand einer an-<lb/> dern zu reichen. Er harrte achtzehn Monate lang<lb/> vergebens auf Nachrichten von ihr, es landeten<lb/> unter dieſer Zeit verſchiedene Kaufarteiſchiffe,<lb/> aber keins kam aus dem Hafen, wohin er Eſt-<lb/> hers Antwort beſtimmt hatte. Endlich kamen<lb/> auch von daher Schiffe, ſie brachten ihm viele<lb/> Briefe, er durchwuͤhlte ſie geſchaͤftig, aber er<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [34/0042]
wuͤrfe uͤber ſeine thoͤrichte Liebe, welche er un-
geachtet ihrer Ermahnung durch die unſinnigſten
Briefe fortzuſetzen ſuche. Er habe es ſich,
ſchrieb ſie ferner, daher ganz allein zuzuſchrei-
ben, daß man zu ſtrengern Mitteln ſchreite,
und ihn ſo lange nach den Inſeln verbanne,
bis er von dieſer ſtrafbaren Liebe geheilt ſei. Ehe
er noch dieſen Brief ganz geleſen hatte, eilten
die Schiffe ſchon aus dem Hafen: er war un-
troͤſtlich, daß er wenigſtens nicht in einigen Zei-
len ſeiner Geliebten von dieſer gewaltſamen Ent-
fuͤhrung Nachricht geben konnte. Die Ueberfahrt
war gefahrvoll, in der ſechsmonatlichen Dauer
derſelben ſchwebte Friedrich oft in der groͤßten
Lebensgefahr, endlich landeten ſie, und Friedrich
ſandte zwar mit den ruͤckgehenden Schiffen Brie-
fe an Eſthern, die aber wahrſcheinlich verlohren
giengen, weil ſie nicht mehr zu F — wohnte,
und niemand ihren Aufenthalt kannte.
Friedrich vergaß auch in der weiten Entfer-
nung ſeine Geliebte nicht, er weihte ſich ganz
ihrem Andenken, er beſchloß, ſie ewig zu lieben,
und eher zu ſterben, als ſeine Hand einer an-
dern zu reichen. Er harrte achtzehn Monate lang
vergebens auf Nachrichten von ihr, es landeten
unter dieſer Zeit verſchiedene Kaufarteiſchiffe,
aber keins kam aus dem Hafen, wohin er Eſt-
hers Antwort beſtimmt hatte. Endlich kamen
auch von daher Schiffe, ſie brachten ihm viele
Briefe, er durchwuͤhlte ſie geſchaͤftig, aber er
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