Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
lösen konnte, ihr Friedrich überdieß in derselben ge- bohren und erzogen war. Da dieser nicht mit ihr nach D --, wo seine wachsame Familie bald ihre Herkunft entdeckt hätte, rückkehren wollte, so beschlossen sie vereint, in den europäischen Län- dern umher zu reisen, und sich in diesen den an- genehmsten Ort zu ihrem künftigen Wohnort zu erwählen. Ihr Weg führte sie durch ein kleines Herzogthum, welches damals von einer sehr men- schenfreundlichen und philosophischen Fürstin re- giert wurde, sie weilten hier einige Zeit, und such- ten einen Priester, welcher sie ingeheim trauen sollte. Schwerlich würden sie einen gefunden ha- ben, weil es ihnen an allen erforderlichen Zeug- nissen mangelte, wenn nicht ein Zufall ihren sehn- lichsten Wunsch auf die angenehmste Art erfüllt hätte. Karolinens Schönheit, die jetzt wieder aufs neue zu blühen begann, war eine von den weni- gen, welche man allgemeine Schönheit nennt. Jeder, welcher sie sah, mußte ihren Reizen huldi- gen, und man sprach bald am Hofe der Fürstin mit Entzücken von der schönen unbekannten Dame. Die Fürstin ward dadurch zur Neugierde gereizt, und ließ, nach ihrer so gefälligen und reizenden Weiße, Karolinen bitten, sie mit einem Besuche zu beehren. Friedrich unterrichtete Karolinen in allem, was sie sagen, wie sie sich benehmen soll- te; aber die äußerst herablassende und freundschaft- liche Art, mit welcher die Fürstin ihr begegnete
loͤſen konnte, ihr Friedrich uͤberdieß in derſelben ge- bohren und erzogen war. Da dieſer nicht mit ihr nach D —, wo ſeine wachſame Familie bald ihre Herkunft entdeckt haͤtte, ruͤckkehren wollte, ſo beſchloſſen ſie vereint, in den europaͤiſchen Laͤn- dern umher zu reiſen, und ſich in dieſen den an- genehmſten Ort zu ihrem kuͤnftigen Wohnort zu erwaͤhlen. Ihr Weg fuͤhrte ſie durch ein kleines Herzogthum, welches damals von einer ſehr men- ſchenfreundlichen und philoſophiſchen Fuͤrſtin re- giert wurde, ſie weilten hier einige Zeit, und ſuch- ten einen Prieſter, welcher ſie ingeheim trauen ſollte. Schwerlich wuͤrden ſie einen gefunden ha- ben, weil es ihnen an allen erforderlichen Zeug- niſſen mangelte, wenn nicht ein Zufall ihren ſehn- lichſten Wunſch auf die angenehmſte Art erfuͤllt haͤtte. Karolinens Schoͤnheit, die jetzt wieder aufs neue zu bluͤhen begann, war eine von den weni- gen, welche man allgemeine Schoͤnheit nennt. Jeder, welcher ſie ſah, mußte ihren Reizen huldi- gen, und man ſprach bald am Hofe der Fuͤrſtin mit Entzuͤcken von der ſchoͤnen unbekannten Dame. Die Fuͤrſtin ward dadurch zur Neugierde gereizt, und ließ, nach ihrer ſo gefaͤlligen und reizenden Weiße, Karolinen bitten, ſie mit einem Beſuche zu beehren. Friedrich unterrichtete Karolinen in allem, was ſie ſagen, wie ſie ſich benehmen ſoll- te; aber die aͤußerſt herablaſſende und freundſchaft- liche Art, mit welcher die Fuͤrſtin ihr begegnete <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#FRIED"> <p><pb facs="#f0051" n="43"/> loͤſen konnte, ihr Friedrich uͤberdieß in derſelben ge-<lb/> bohren und erzogen war. Da dieſer nicht mit<lb/> ihr nach D —, wo ſeine wachſame Familie bald<lb/> ihre Herkunft entdeckt haͤtte, ruͤckkehren wollte,<lb/> ſo beſchloſſen ſie vereint, in den europaͤiſchen Laͤn-<lb/> dern umher zu reiſen, und ſich in dieſen den an-<lb/> genehmſten Ort zu ihrem kuͤnftigen Wohnort zu<lb/> erwaͤhlen. Ihr Weg fuͤhrte ſie durch ein kleines<lb/> Herzogthum, welches damals von einer ſehr men-<lb/> ſchenfreundlichen und philoſophiſchen Fuͤrſtin re-<lb/> giert wurde, ſie weilten hier einige Zeit, und ſuch-<lb/> ten einen Prieſter, welcher ſie ingeheim trauen<lb/> ſollte. Schwerlich wuͤrden ſie einen gefunden ha-<lb/> ben, weil es ihnen an allen erforderlichen Zeug-<lb/> niſſen mangelte, wenn nicht ein Zufall ihren ſehn-<lb/> lichſten Wunſch auf die angenehmſte Art erfuͤllt<lb/> haͤtte.</p><lb/> <p>Karolinens Schoͤnheit, die jetzt wieder aufs<lb/> neue zu bluͤhen begann, war eine von den weni-<lb/> gen, welche man allgemeine Schoͤnheit nennt.<lb/> Jeder, welcher ſie ſah, mußte ihren Reizen huldi-<lb/> gen, und man ſprach bald am Hofe der Fuͤrſtin<lb/> mit Entzuͤcken von der ſchoͤnen unbekannten Dame.<lb/> Die Fuͤrſtin ward dadurch zur Neugierde gereizt,<lb/> und ließ, nach ihrer ſo gefaͤlligen und reizenden<lb/> Weiße, Karolinen bitten, ſie mit einem Beſuche<lb/> zu beehren. Friedrich unterrichtete Karolinen in<lb/> allem, was ſie ſagen, wie ſie ſich benehmen ſoll-<lb/> te; aber die aͤußerſt herablaſſende und freundſchaft-<lb/> liche Art, mit welcher die Fuͤrſtin ihr begegnete<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [43/0051]
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bohren und erzogen war. Da dieſer nicht mit
ihr nach D —, wo ſeine wachſame Familie bald
ihre Herkunft entdeckt haͤtte, ruͤckkehren wollte,
ſo beſchloſſen ſie vereint, in den europaͤiſchen Laͤn-
dern umher zu reiſen, und ſich in dieſen den an-
genehmſten Ort zu ihrem kuͤnftigen Wohnort zu
erwaͤhlen. Ihr Weg fuͤhrte ſie durch ein kleines
Herzogthum, welches damals von einer ſehr men-
ſchenfreundlichen und philoſophiſchen Fuͤrſtin re-
giert wurde, ſie weilten hier einige Zeit, und ſuch-
ten einen Prieſter, welcher ſie ingeheim trauen
ſollte. Schwerlich wuͤrden ſie einen gefunden ha-
ben, weil es ihnen an allen erforderlichen Zeug-
niſſen mangelte, wenn nicht ein Zufall ihren ſehn-
lichſten Wunſch auf die angenehmſte Art erfuͤllt
haͤtte.
Karolinens Schoͤnheit, die jetzt wieder aufs
neue zu bluͤhen begann, war eine von den weni-
gen, welche man allgemeine Schoͤnheit nennt.
Jeder, welcher ſie ſah, mußte ihren Reizen huldi-
gen, und man ſprach bald am Hofe der Fuͤrſtin
mit Entzuͤcken von der ſchoͤnen unbekannten Dame.
Die Fuͤrſtin ward dadurch zur Neugierde gereizt,
und ließ, nach ihrer ſo gefaͤlligen und reizenden
Weiße, Karolinen bitten, ſie mit einem Beſuche
zu beehren. Friedrich unterrichtete Karolinen in
allem, was ſie ſagen, wie ſie ſich benehmen ſoll-
te; aber die aͤußerſt herablaſſende und freundſchaft-
liche Art, mit welcher die Fuͤrſtin ihr begegnete
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