Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
heimen Absichten, vielleicht auch aus Mangel an
gehöriger Einsicht für unnöthig, die Obligationen
und Schuldscheine auf das Kloster umschreiben zu
lassen. Ganz natürlich wars nun, daß der
Wunsch, von Karolinens Aufenthalte Nachricht
zu erhalten, sie wo möglich wieder zur Rückkehr
ins Kloster zu bewegen, äußerst lebhaft in dem
Herzen der Aebtissin erwachte. Ueberall wurden
Späher ausgesandt, jedem Kloster der deutschen
Provinzen die genaue Beschreibung ihrer Person
zugeschickt, und alle mögliche Anstalten getrof-
fen, um ihren Aufenthalt zu entdecken. Die
vornehmsten Geistlichen in der Nähe und Ferne
kundschafteten selbst zu Gunsten des betrogenen
Klosters überall umher, und konnten wohl ihren
ehemaligen, aber nicht jetzigen Wohnort erfah-
ren, weil Karoline damals schon mit ihrem
Friedrich in Pisa war, und nicht mehr mit ihm
nach Deutschland rückkehrte.

Hätte die arme, verlassene Karoline in der
Folge diesen besondern Umstand nur muthmaßen
können, hätte sie aus einem protestantischen Lan-
de den Nonnen geschrieben, diesen nur die Hälfte
ihres Vermögens gehörig zedirt, sie würden ihr
willig die andere Hälfte der ihnen ganz unnü-
tzen Schuldscheine übersendet, und sehr wahrschein-
lich auch Ruh und Sicherheit gelobt haben.
Aber die Trost- und Hoffnungslose Karoline ahn-
dete dieß sonderbare Glück nicht, sie durchreiste
auf
heimen Abſichten, vielleicht auch aus Mangel an
gehoͤriger Einſicht fuͤr unnoͤthig, die Obligationen
und Schuldſcheine auf das Kloſter umſchreiben zu
laſſen. Ganz natuͤrlich wars nun, daß der
Wunſch, von Karolinens Aufenthalte Nachricht
zu erhalten, ſie wo moͤglich wieder zur Ruͤckkehr
ins Kloſter zu bewegen, aͤußerſt lebhaft in dem
Herzen der Aebtiſſin erwachte. Ueberall wurden
Spaͤher ausgeſandt, jedem Kloſter der deutſchen
Provinzen die genaue Beſchreibung ihrer Perſon
zugeſchickt, und alle moͤgliche Anſtalten getrof-
fen, um ihren Aufenthalt zu entdecken. Die
vornehmſten Geiſtlichen in der Naͤhe und Ferne
kundſchafteten ſelbſt zu Gunſten des betrogenen
Kloſters uͤberall umher, und konnten wohl ihren
ehemaligen, aber nicht jetzigen Wohnort erfah-
ren, weil Karoline damals ſchon mit ihrem
Friedrich in Piſa war, und nicht mehr mit ihm
nach Deutſchland ruͤckkehrte.

Haͤtte die arme, verlaſſene Karoline in der
Folge dieſen beſondern Umſtand nur muthmaßen
koͤnnen, haͤtte ſie aus einem proteſtantiſchen Lan-
de den Nonnen geſchrieben, dieſen nur die Haͤlfte
ihres Vermoͤgens gehoͤrig zedirt, ſie wuͤrden ihr
willig die andere Haͤlfte der ihnen ganz unnuͤ-
tzen Schuldſcheine uͤberſendet, und ſehr wahrſchein-
lich auch Ruh und Sicherheit gelobt haben.
Aber die Troſt- und Hoffnungsloſe Karoline ahn-
dete dieß ſonderbare Gluͤck nicht, ſie durchreiſte
auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#FRIED">
          <p><pb facs="#f0056" n="48"/>
heimen Ab&#x017F;ichten, vielleicht auch aus Mangel an<lb/>
geho&#x0364;riger Ein&#x017F;icht fu&#x0364;r unno&#x0364;thig, die Obligationen<lb/>
und Schuld&#x017F;cheine auf das Klo&#x017F;ter um&#x017F;chreiben zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Ganz natu&#x0364;rlich wars nun, daß der<lb/>
Wun&#x017F;ch, von Karolinens Aufenthalte Nachricht<lb/>
zu erhalten, &#x017F;ie wo mo&#x0364;glich wieder zur Ru&#x0364;ckkehr<lb/>
ins Klo&#x017F;ter zu bewegen, a&#x0364;ußer&#x017F;t lebhaft in dem<lb/>
Herzen der Aebti&#x017F;&#x017F;in erwachte. Ueberall wurden<lb/>
Spa&#x0364;her ausge&#x017F;andt, jedem Klo&#x017F;ter der deut&#x017F;chen<lb/>
Provinzen die genaue Be&#x017F;chreibung ihrer Per&#x017F;on<lb/>
zuge&#x017F;chickt, und alle mo&#x0364;gliche An&#x017F;talten getrof-<lb/>
fen, um ihren Aufenthalt zu entdecken. Die<lb/>
vornehm&#x017F;ten Gei&#x017F;tlichen in der Na&#x0364;he und Ferne<lb/>
kund&#x017F;chafteten &#x017F;elb&#x017F;t zu Gun&#x017F;ten des betrogenen<lb/>
Klo&#x017F;ters u&#x0364;berall umher, und konnten wohl ihren<lb/>
ehemaligen, aber nicht jetzigen Wohnort erfah-<lb/>
ren, weil Karoline damals &#x017F;chon mit ihrem<lb/>
Friedrich in Pi&#x017F;a war, und nicht mehr mit ihm<lb/>
nach Deut&#x017F;chland ru&#x0364;ckkehrte.</p><lb/>
          <p>Ha&#x0364;tte die arme, verla&#x017F;&#x017F;ene Karoline in der<lb/>
Folge die&#x017F;en be&#x017F;ondern Um&#x017F;tand nur muthmaßen<lb/>
ko&#x0364;nnen, ha&#x0364;tte &#x017F;ie aus einem prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Lan-<lb/>
de den Nonnen ge&#x017F;chrieben, die&#x017F;en nur die Ha&#x0364;lfte<lb/>
ihres Vermo&#x0364;gens geho&#x0364;rig zedirt, &#x017F;ie wu&#x0364;rden ihr<lb/>
willig die andere Ha&#x0364;lfte der ihnen ganz unnu&#x0364;-<lb/>
tzen Schuld&#x017F;cheine u&#x0364;ber&#x017F;endet, und &#x017F;ehr wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich auch Ruh und Sicherheit gelobt haben.<lb/>
Aber die Tro&#x017F;t- und Hoffnungslo&#x017F;e Karoline ahn-<lb/>
dete dieß &#x017F;onderbare Glu&#x0364;ck nicht, &#x017F;ie durchrei&#x017F;te<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0056] heimen Abſichten, vielleicht auch aus Mangel an gehoͤriger Einſicht fuͤr unnoͤthig, die Obligationen und Schuldſcheine auf das Kloſter umſchreiben zu laſſen. Ganz natuͤrlich wars nun, daß der Wunſch, von Karolinens Aufenthalte Nachricht zu erhalten, ſie wo moͤglich wieder zur Ruͤckkehr ins Kloſter zu bewegen, aͤußerſt lebhaft in dem Herzen der Aebtiſſin erwachte. Ueberall wurden Spaͤher ausgeſandt, jedem Kloſter der deutſchen Provinzen die genaue Beſchreibung ihrer Perſon zugeſchickt, und alle moͤgliche Anſtalten getrof- fen, um ihren Aufenthalt zu entdecken. Die vornehmſten Geiſtlichen in der Naͤhe und Ferne kundſchafteten ſelbſt zu Gunſten des betrogenen Kloſters uͤberall umher, und konnten wohl ihren ehemaligen, aber nicht jetzigen Wohnort erfah- ren, weil Karoline damals ſchon mit ihrem Friedrich in Piſa war, und nicht mehr mit ihm nach Deutſchland ruͤckkehrte. Haͤtte die arme, verlaſſene Karoline in der Folge dieſen beſondern Umſtand nur muthmaßen koͤnnen, haͤtte ſie aus einem proteſtantiſchen Lan- de den Nonnen geſchrieben, dieſen nur die Haͤlfte ihres Vermoͤgens gehoͤrig zedirt, ſie wuͤrden ihr willig die andere Haͤlfte der ihnen ganz unnuͤ- tzen Schuldſcheine uͤberſendet, und ſehr wahrſchein- lich auch Ruh und Sicherheit gelobt haben. Aber die Troſt- und Hoffnungsloſe Karoline ahn- dete dieß ſonderbare Gluͤck nicht, ſie durchreiſte auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/56
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/56>, abgerufen am 22.11.2024.