Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
nen ins Zimmer traten, ihre Pässe und ihre rech- te Hand zu sehen verlangten. Karoline zeigte die erstern standhaft vor, zitterte aber sehr, als die Gegenwärtigen den kleinen Finger der letztern sehr aufmerksam betrachteten, und mit dem Ausrufe: es ist richtig! wieder stillschweigend fortgiengen. Sie hatte diesen Finger im Kloster durch einen Zufall gebrochen, er war merkbar krumm geheilt worden, und die Unglückliche ahndete mit Recht sichere Entdeckung. Schon wollte sie entfliehen, all ihr weniges Haabe zurücklassen, und zu Fuße forteilen, aber sie erblickte bald an ihrer Thüre Wächter, und mußte auch diesem einzigen Ret- tungsmittel entsagen. Nach einer angstvoll durchharrten halben Stunde nahten sich die Gerichtspersonen wieder, mit ihnen kamen einige Mönche, welche sie for- schend anblickten und stillschweigend Platz nah- men. Das Verhör begann, man behandelte sie sehr hart, drohte mit noch härtern Zwangsmit- teln, und die hülflose Karoline gestand bald, daß sie wirklich Nonne zu D -- in B -- war, und in den Armen eines bereits verstorbnen Offiziers aus dem Kloster entflohen sei. Sie schauderte zu- rück, als man ihr trocken ankündigte, daß sie in dieses wieder zurückkehren müsse, sie gestand nun auch, daß sie schwanger sei, aber man verlachte diese schreckliche Wahrheit, als eine kahle Ausflucht, und führte sie um Mitternacht nach dem Rath- hause, wo sie in einem engvergitterten Zimmer
nen ins Zimmer traten, ihre Paͤſſe und ihre rech- te Hand zu ſehen verlangten. Karoline zeigte die erſtern ſtandhaft vor, zitterte aber ſehr, als die Gegenwaͤrtigen den kleinen Finger der letztern ſehr aufmerkſam betrachteten, und mit dem Ausrufe: es iſt richtig! wieder ſtillſchweigend fortgiengen. Sie hatte dieſen Finger im Kloſter durch einen Zufall gebrochen, er war merkbar krumm geheilt worden, und die Ungluͤckliche ahndete mit Recht ſichere Entdeckung. Schon wollte ſie entfliehen, all ihr weniges Haabe zuruͤcklaſſen, und zu Fuße forteilen, aber ſie erblickte bald an ihrer Thuͤre Waͤchter, und mußte auch dieſem einzigen Ret- tungsmittel entſagen. Nach einer angſtvoll durchharrten halben Stunde nahten ſich die Gerichtsperſonen wieder, mit ihnen kamen einige Moͤnche, welche ſie for- ſchend anblickten und ſtillſchweigend Platz nah- men. Das Verhoͤr begann, man behandelte ſie ſehr hart, drohte mit noch haͤrtern Zwangsmit- teln, und die huͤlfloſe Karoline geſtand bald, daß ſie wirklich Nonne zu D — in B — war, und in den Armen eines bereits verſtorbnen Offiziers aus dem Kloſter entflohen ſei. Sie ſchauderte zu- ruͤck, als man ihr trocken ankuͤndigte, daß ſie in dieſes wieder zuruͤckkehren muͤſſe, ſie geſtand nun auch, daß ſie ſchwanger ſei, aber man verlachte dieſe ſchreckliche Wahrheit, als eine kahle Ausflucht, und fuͤhrte ſie um Mitternacht nach dem Rath- hauſe, wo ſie in einem engvergitterten Zimmer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#FRIED"> <p><pb facs="#f0058" n="50"/> nen ins Zimmer traten, ihre Paͤſſe und ihre rech-<lb/> te Hand zu ſehen verlangten. Karoline zeigte die<lb/> erſtern ſtandhaft vor, zitterte aber ſehr, als die<lb/> Gegenwaͤrtigen den kleinen Finger der letztern ſehr<lb/> aufmerkſam betrachteten, und mit dem Ausrufe:<lb/> es iſt richtig! wieder ſtillſchweigend fortgiengen.<lb/> Sie hatte dieſen Finger im Kloſter durch einen<lb/> Zufall gebrochen, er war merkbar krumm geheilt<lb/> worden, und die Ungluͤckliche ahndete mit Recht<lb/> ſichere Entdeckung. Schon wollte ſie entfliehen,<lb/> all ihr weniges Haabe zuruͤcklaſſen, und zu Fuße<lb/> forteilen, aber ſie erblickte bald an ihrer Thuͤre<lb/> Waͤchter, und mußte auch dieſem einzigen Ret-<lb/> tungsmittel entſagen.</p><lb/> <p>Nach einer angſtvoll durchharrten halben<lb/> Stunde nahten ſich die Gerichtsperſonen wieder,<lb/> mit ihnen kamen einige Moͤnche, welche ſie for-<lb/> ſchend anblickten und ſtillſchweigend Platz nah-<lb/> men. Das Verhoͤr begann, man behandelte ſie<lb/> ſehr hart, drohte mit noch haͤrtern Zwangsmit-<lb/> teln, und die huͤlfloſe Karoline geſtand bald, daß<lb/> ſie wirklich Nonne zu D — in B — war, und<lb/> in den Armen eines bereits verſtorbnen Offiziers<lb/> aus dem Kloſter entflohen ſei. Sie ſchauderte zu-<lb/> ruͤck, als man ihr trocken ankuͤndigte, daß ſie in<lb/> dieſes wieder zuruͤckkehren muͤſſe, ſie geſtand nun<lb/> auch, daß ſie ſchwanger ſei, aber man verlachte<lb/> dieſe ſchreckliche Wahrheit, als eine kahle Ausflucht,<lb/> und fuͤhrte ſie um Mitternacht nach dem Rath-<lb/> hauſe, wo ſie in einem engvergitterten Zimmer<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [50/0058]
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te Hand zu ſehen verlangten. Karoline zeigte die
erſtern ſtandhaft vor, zitterte aber ſehr, als die
Gegenwaͤrtigen den kleinen Finger der letztern ſehr
aufmerkſam betrachteten, und mit dem Ausrufe:
es iſt richtig! wieder ſtillſchweigend fortgiengen.
Sie hatte dieſen Finger im Kloſter durch einen
Zufall gebrochen, er war merkbar krumm geheilt
worden, und die Ungluͤckliche ahndete mit Recht
ſichere Entdeckung. Schon wollte ſie entfliehen,
all ihr weniges Haabe zuruͤcklaſſen, und zu Fuße
forteilen, aber ſie erblickte bald an ihrer Thuͤre
Waͤchter, und mußte auch dieſem einzigen Ret-
tungsmittel entſagen.
Nach einer angſtvoll durchharrten halben
Stunde nahten ſich die Gerichtsperſonen wieder,
mit ihnen kamen einige Moͤnche, welche ſie for-
ſchend anblickten und ſtillſchweigend Platz nah-
men. Das Verhoͤr begann, man behandelte ſie
ſehr hart, drohte mit noch haͤrtern Zwangsmit-
teln, und die huͤlfloſe Karoline geſtand bald, daß
ſie wirklich Nonne zu D — in B — war, und
in den Armen eines bereits verſtorbnen Offiziers
aus dem Kloſter entflohen ſei. Sie ſchauderte zu-
ruͤck, als man ihr trocken ankuͤndigte, daß ſie in
dieſes wieder zuruͤckkehren muͤſſe, ſie geſtand nun
auch, daß ſie ſchwanger ſei, aber man verlachte
dieſe ſchreckliche Wahrheit, als eine kahle Ausflucht,
und fuͤhrte ſie um Mitternacht nach dem Rath-
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