Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
Kutscher, und seine Freundschaft schonte die Pfer- de nicht. Wie sie noch immer bei Nachtszeit vor dem Quartiere des letztern anlangten, stand schon dort die Post bereit, der seltne Freund gab Franzen die versprochnen Briefe, hüllte Wilhelminen in seinen Mantel, und vertraute dem Postillione, daß er zwei Offiziere seines Landes aufs schnellste wei- ter fördern müsse. Durch diese Vorsicht ward es dem unglücklichen Vater unmöglich gemacht, sein Kind je wieder zu finden, und solches aus den Armen seines Entführers zu entreißen. Wilhel- mine blieb den folgenden Tag immer im Wagen sitzen, welchen ihnen Franzens Freund verkauft hatte, ihr Mantel und ein großer Huth, der ihr Haupt deckte, verbarg sie vor dem Auge des Neugierigen, alle, welche sie führten, versicherten nachher den Nachforschern, daß sie zwei Offiziere geführt hätten, und verhinderten dadurch die Suchenden, der möglichen Spur weiter zu folgen. Die Fliehenden langten daher glücklich und ohne Hinderniß in P -- s großer Residenzstadt an, die Briefe des Freundes waren ihnen von großen und mannichfaltigen Nutzen. Wilhelmine verkaufte ihren Schmuck und ihre Kleinodien sehr vortheilhaft, die Liebenden konnten fünf und zwanzig tausend Thaler auf sichere Zinsen aus- leihen, und behielten doch noch genug, um sich Kleider und allen nöthigen Hausrath zu kaufen.
Kutſcher, und ſeine Freundſchaft ſchonte die Pfer- de nicht. Wie ſie noch immer bei Nachtszeit vor dem Quartiere des letztern anlangten, ſtand ſchon dort die Poſt bereit, der ſeltne Freund gab Franzen die verſprochnen Briefe, huͤllte Wilhelminen in ſeinen Mantel, und vertraute dem Poſtillione, daß er zwei Offiziere ſeines Landes aufs ſchnellſte wei- ter foͤrdern muͤſſe. Durch dieſe Vorſicht ward es dem ungluͤcklichen Vater unmoͤglich gemacht, ſein Kind je wieder zu finden, und ſolches aus den Armen ſeines Entfuͤhrers zu entreißen. Wilhel- mine blieb den folgenden Tag immer im Wagen ſitzen, welchen ihnen Franzens Freund verkauft hatte, ihr Mantel und ein großer Huth, der ihr Haupt deckte, verbarg ſie vor dem Auge des Neugierigen, alle, welche ſie fuͤhrten, verſicherten nachher den Nachforſchern, daß ſie zwei Offiziere gefuͤhrt haͤtten, und verhinderten dadurch die Suchenden, der moͤglichen Spur weiter zu folgen. Die Fliehenden langten daher gluͤcklich und ohne Hinderniß in P — s großer Reſidenzſtadt an, die Briefe des Freundes waren ihnen von großen und mannichfaltigen Nutzen. Wilhelmine verkaufte ihren Schmuck und ihre Kleinodien ſehr vortheilhaft, die Liebenden konnten fuͤnf und zwanzig tauſend Thaler auf ſichere Zinſen aus- leihen, und behielten doch noch genug, um ſich Kleider und allen noͤthigen Hausrath zu kaufen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#WILH"> <p><pb facs="#f0090" n="82"/> Kutſcher, und ſeine Freundſchaft ſchonte die Pfer-<lb/> de nicht.</p><lb/> <p>Wie ſie noch immer bei Nachtszeit vor dem<lb/> Quartiere des letztern anlangten, ſtand ſchon dort<lb/> die Poſt bereit, der ſeltne Freund gab Franzen die<lb/> verſprochnen Briefe, huͤllte Wilhelminen in ſeinen<lb/> Mantel, und vertraute dem Poſtillione, daß er<lb/> zwei Offiziere ſeines Landes aufs ſchnellſte wei-<lb/> ter foͤrdern muͤſſe. Durch dieſe Vorſicht ward es<lb/> dem ungluͤcklichen Vater unmoͤglich gemacht, ſein<lb/> Kind je wieder zu finden, und ſolches aus den<lb/> Armen ſeines Entfuͤhrers zu entreißen. Wilhel-<lb/> mine blieb den folgenden Tag immer im Wagen<lb/> ſitzen, welchen ihnen Franzens Freund verkauft<lb/> hatte, ihr Mantel und ein großer Huth, der ihr<lb/> Haupt deckte, verbarg ſie vor dem Auge des<lb/> Neugierigen, alle, welche ſie fuͤhrten, verſicherten<lb/> nachher den Nachforſchern, daß ſie zwei Offiziere<lb/> gefuͤhrt haͤtten, und verhinderten dadurch die<lb/> Suchenden, der moͤglichen Spur weiter zu<lb/> folgen.</p><lb/> <p>Die Fliehenden langten daher gluͤcklich und<lb/> ohne Hinderniß in P — s großer Reſidenzſtadt<lb/> an, die Briefe des Freundes waren ihnen von<lb/> großen und mannichfaltigen Nutzen. Wilhelmine<lb/> verkaufte ihren Schmuck und ihre Kleinodien ſehr<lb/> vortheilhaft, die Liebenden konnten fuͤnf und<lb/> zwanzig tauſend Thaler auf ſichere Zinſen aus-<lb/> leihen, und behielten doch noch genug, um ſich<lb/> Kleider und allen noͤthigen Hausrath zu kaufen.<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [82/0090]
Kutſcher, und ſeine Freundſchaft ſchonte die Pfer-
de nicht.
Wie ſie noch immer bei Nachtszeit vor dem
Quartiere des letztern anlangten, ſtand ſchon dort
die Poſt bereit, der ſeltne Freund gab Franzen die
verſprochnen Briefe, huͤllte Wilhelminen in ſeinen
Mantel, und vertraute dem Poſtillione, daß er
zwei Offiziere ſeines Landes aufs ſchnellſte wei-
ter foͤrdern muͤſſe. Durch dieſe Vorſicht ward es
dem ungluͤcklichen Vater unmoͤglich gemacht, ſein
Kind je wieder zu finden, und ſolches aus den
Armen ſeines Entfuͤhrers zu entreißen. Wilhel-
mine blieb den folgenden Tag immer im Wagen
ſitzen, welchen ihnen Franzens Freund verkauft
hatte, ihr Mantel und ein großer Huth, der ihr
Haupt deckte, verbarg ſie vor dem Auge des
Neugierigen, alle, welche ſie fuͤhrten, verſicherten
nachher den Nachforſchern, daß ſie zwei Offiziere
gefuͤhrt haͤtten, und verhinderten dadurch die
Suchenden, der moͤglichen Spur weiter zu
folgen.
Die Fliehenden langten daher gluͤcklich und
ohne Hinderniß in P — s großer Reſidenzſtadt
an, die Briefe des Freundes waren ihnen von
großen und mannichfaltigen Nutzen. Wilhelmine
verkaufte ihren Schmuck und ihre Kleinodien ſehr
vortheilhaft, die Liebenden konnten fuͤnf und
zwanzig tauſend Thaler auf ſichere Zinſen aus-
leihen, und behielten doch noch genug, um ſich
Kleider und allen noͤthigen Hausrath zu kaufen.
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