Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.
die Vollmacht zur Führung des Prozesses, wel- chen die zahlreichen Gläubiger schon gegen den Entflohnen ergriffen hatten. Zwei angstvolle Jahre verflossen nun, ehe die- ser sich endigte; bald war nach der Versicherung des Advokaten große, bald sehr wenige Hoffnung zum Ersatze vorhanden, bald trug der Entflohne aus der Ferne einen vortheilhaften Vergleich an, bald vernichtete diesen die Hartherzigkeit der übri- gen Gläubiger. Immer lebten die Armen zwischen Furcht und Hoffnung, mußten Schulden machen, das Entbehrliche und endlich das Nothwendige verpfänden. Schon herrschte oft Mangel an ihrem Tische, schon mehrten Nahrungssorgen ihr Unglück, als endlich das Gericht die Finalsentenz fällte. Franz bekam, weil er sich zuletzt gemeldet hatte, anstatt fünf und zwanzig nur dreitausend Thaler. Auch dieß wenige würde die unglückliche Familie mit Danke angenommen, und sich bis zum nöthigsten Bedürfnisse eingeschränkt haben, wenn sie solches nur früher erhalten hätte. Als alle Prozeßun- kosten, die übrigen Schulden bezahlt, nur die nothwendigsten Pfänder eingelöst waren, hatten sie noch fünfhundert Thaler, und von diesen soll- ten sie nun sich und ihre vier Kinder ernähren. Sie brüteten in stummer Verzweiflung über Pläne, welche in der schreckbaren Zukunft ihre Retter werden sollten. Franz suchte in der ganzen Stadt
die Vollmacht zur Fuͤhrung des Prozeſſes, wel- chen die zahlreichen Glaͤubiger ſchon gegen den Entflohnen ergriffen hatten. Zwei angſtvolle Jahre verfloſſen nun, ehe die- ſer ſich endigte; bald war nach der Verſicherung des Advokaten große, bald ſehr wenige Hoffnung zum Erſatze vorhanden, bald trug der Entflohne aus der Ferne einen vortheilhaften Vergleich an, bald vernichtete dieſen die Hartherzigkeit der uͤbri- gen Glaͤubiger. Immer lebten die Armen zwiſchen Furcht und Hoffnung, mußten Schulden machen, das Entbehrliche und endlich das Nothwendige verpfaͤnden. Schon herrſchte oft Mangel an ihrem Tiſche, ſchon mehrten Nahrungsſorgen ihr Ungluͤck, als endlich das Gericht die Finalſentenz faͤllte. Franz bekam, weil er ſich zuletzt gemeldet hatte, anſtatt fuͤnf und zwanzig nur dreitauſend Thaler. Auch dieß wenige wuͤrde die ungluͤckliche Familie mit Danke angenommen, und ſich bis zum noͤthigſten Beduͤrfniſſe eingeſchraͤnkt haben, wenn ſie ſolches nur fruͤher erhalten haͤtte. Als alle Prozeßun- koſten, die uͤbrigen Schulden bezahlt, nur die nothwendigſten Pfaͤnder eingeloͤſt waren, hatten ſie noch fuͤnfhundert Thaler, und von dieſen ſoll- ten ſie nun ſich und ihre vier Kinder ernaͤhren. Sie bruͤteten in ſtummer Verzweiflung uͤber Plaͤne, welche in der ſchreckbaren Zukunft ihre Retter werden ſollten. Franz ſuchte in der ganzen Stadt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#WILH"> <p><pb facs="#f0093" n="85"/> die Vollmacht zur Fuͤhrung des Prozeſſes, wel-<lb/> chen die zahlreichen Glaͤubiger ſchon gegen den<lb/> Entflohnen ergriffen hatten.</p><lb/> <p>Zwei angſtvolle Jahre verfloſſen nun, ehe die-<lb/> ſer ſich endigte; bald war nach der Verſicherung<lb/> des Advokaten große, bald ſehr wenige Hoffnung<lb/> zum Erſatze vorhanden, bald trug der Entflohne<lb/> aus der Ferne einen vortheilhaften Vergleich an,<lb/> bald vernichtete dieſen die Hartherzigkeit der uͤbri-<lb/> gen Glaͤubiger. Immer lebten die Armen zwiſchen<lb/> Furcht und Hoffnung, mußten Schulden machen,<lb/> das Entbehrliche und endlich das Nothwendige<lb/> verpfaͤnden.</p><lb/> <p>Schon herrſchte oft Mangel an ihrem Tiſche,<lb/> ſchon mehrten Nahrungsſorgen ihr Ungluͤck, als<lb/> endlich das Gericht die Finalſentenz faͤllte. Franz<lb/> bekam, weil er ſich zuletzt gemeldet hatte, anſtatt<lb/> fuͤnf und zwanzig nur dreitauſend Thaler. Auch<lb/> dieß wenige wuͤrde die ungluͤckliche Familie mit<lb/> Danke angenommen, und ſich bis zum noͤthigſten<lb/> Beduͤrfniſſe eingeſchraͤnkt haben, wenn ſie ſolches<lb/> nur fruͤher erhalten haͤtte. Als alle Prozeßun-<lb/> koſten, die uͤbrigen Schulden bezahlt, nur die<lb/> nothwendigſten Pfaͤnder eingeloͤſt waren, hatten<lb/> ſie noch fuͤnfhundert Thaler, und von dieſen ſoll-<lb/> ten ſie nun ſich und ihre vier Kinder ernaͤhren.<lb/> Sie bruͤteten in ſtummer Verzweiflung uͤber Plaͤne,<lb/> welche in der ſchreckbaren Zukunft ihre Retter<lb/> werden ſollten. Franz ſuchte in der ganzen Stadt<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [85/0093]
die Vollmacht zur Fuͤhrung des Prozeſſes, wel-
chen die zahlreichen Glaͤubiger ſchon gegen den
Entflohnen ergriffen hatten.
Zwei angſtvolle Jahre verfloſſen nun, ehe die-
ſer ſich endigte; bald war nach der Verſicherung
des Advokaten große, bald ſehr wenige Hoffnung
zum Erſatze vorhanden, bald trug der Entflohne
aus der Ferne einen vortheilhaften Vergleich an,
bald vernichtete dieſen die Hartherzigkeit der uͤbri-
gen Glaͤubiger. Immer lebten die Armen zwiſchen
Furcht und Hoffnung, mußten Schulden machen,
das Entbehrliche und endlich das Nothwendige
verpfaͤnden.
Schon herrſchte oft Mangel an ihrem Tiſche,
ſchon mehrten Nahrungsſorgen ihr Ungluͤck, als
endlich das Gericht die Finalſentenz faͤllte. Franz
bekam, weil er ſich zuletzt gemeldet hatte, anſtatt
fuͤnf und zwanzig nur dreitauſend Thaler. Auch
dieß wenige wuͤrde die ungluͤckliche Familie mit
Danke angenommen, und ſich bis zum noͤthigſten
Beduͤrfniſſe eingeſchraͤnkt haben, wenn ſie ſolches
nur fruͤher erhalten haͤtte. Als alle Prozeßun-
koſten, die uͤbrigen Schulden bezahlt, nur die
nothwendigſten Pfaͤnder eingeloͤſt waren, hatten
ſie noch fuͤnfhundert Thaler, und von dieſen ſoll-
ten ſie nun ſich und ihre vier Kinder ernaͤhren.
Sie bruͤteten in ſtummer Verzweiflung uͤber Plaͤne,
welche in der ſchreckbaren Zukunft ihre Retter
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