Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

fende Gefühl der wahren Mutter, es ist ein-
zig in der Natur, es ist anhaltender In-
stinkt, der nie sich mindert, aber auch nicht
nachahmen läßt. Die armen, verlaßnen Kin-
der werden es früh genug fühlen, daß sie
keine Mutter haben! Sie gleichen der Blu-
me, welche im engen Raume eines Topfes
blüht, sie wächst und gedeiht, aber nicht
gleich jener, welche die Mutter Erde in ih-
rem Schoose ernährt.

Urtheile ich unbillig? Ein Beispiel, das
ich aus tausend ähnlichen wähle, soll's stär-
ker beweisen.

Marie war die Tochter eines Landkrä-
mers, der sich und seine treue Gattin durch
emsigen und redlichen Fleiß wohl ernährte.
Sie gebar ihm drei Kinder, und starb, als
sie ihn mit dem vierten erfreuen wollte.
Marie war die älteste unter ihren Geschwi-

fende Gefuͤhl der wahren Mutter, es iſt ein-
zig in der Natur, es iſt anhaltender In-
ſtinkt, der nie ſich mindert, aber auch nicht
nachahmen laͤßt. Die armen, verlaßnen Kin-
der werden es fruͤh genug fuͤhlen, daß ſie
keine Mutter haben! Sie gleichen der Blu-
me, welche im engen Raume eines Topfes
bluͤht, ſie waͤchſt und gedeiht, aber nicht
gleich jener, welche die Mutter Erde in ih-
rem Schooſe ernaͤhrt.

Urtheile ich unbillig? Ein Beiſpiel, das
ich aus tauſend aͤhnlichen waͤhle, ſoll's ſtaͤr-
ker beweiſen.

Marie war die Tochter eines Landkraͤ-
mers, der ſich und ſeine treue Gattin durch
emſigen und redlichen Fleiß wohl ernaͤhrte.
Sie gebar ihm drei Kinder, und ſtarb, als
ſie ihn mit dem vierten erfreuen wollte.
Marie war die aͤlteſte unter ihren Geſchwi-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0197" n="183"/>
fende Gefu&#x0364;hl der wahren Mutter, es i&#x017F;t ein-<lb/>
zig in der Natur, es i&#x017F;t anhaltender In-<lb/>
&#x017F;tinkt, der nie &#x017F;ich mindert, aber auch nicht<lb/>
nachahmen la&#x0364;ßt. Die armen, verlaßnen Kin-<lb/>
der werden es fru&#x0364;h genug fu&#x0364;hlen, daß &#x017F;ie<lb/>
keine Mutter haben! Sie gleichen der Blu-<lb/>
me, welche im engen Raume eines Topfes<lb/>
blu&#x0364;ht, &#x017F;ie wa&#x0364;ch&#x017F;t und gedeiht, aber nicht<lb/>
gleich jener, welche die Mutter Erde in ih-<lb/>
rem Schoo&#x017F;e erna&#x0364;hrt.</p><lb/>
        <p>Urtheile ich unbillig? Ein Bei&#x017F;piel, das<lb/>
ich aus tau&#x017F;end a&#x0364;hnlichen wa&#x0364;hle, &#x017F;oll's &#x017F;ta&#x0364;r-<lb/>
ker bewei&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Marie war die Tochter eines Landkra&#x0364;-<lb/>
mers, der &#x017F;ich und &#x017F;eine treue Gattin durch<lb/>
em&#x017F;igen und redlichen Fleiß wohl erna&#x0364;hrte.<lb/>
Sie gebar ihm drei Kinder, und &#x017F;tarb, als<lb/>
&#x017F;ie ihn mit dem vierten erfreuen wollte.<lb/>
Marie war die a&#x0364;lte&#x017F;te unter ihren Ge&#x017F;chwi-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0197] fende Gefuͤhl der wahren Mutter, es iſt ein- zig in der Natur, es iſt anhaltender In- ſtinkt, der nie ſich mindert, aber auch nicht nachahmen laͤßt. Die armen, verlaßnen Kin- der werden es fruͤh genug fuͤhlen, daß ſie keine Mutter haben! Sie gleichen der Blu- me, welche im engen Raume eines Topfes bluͤht, ſie waͤchſt und gedeiht, aber nicht gleich jener, welche die Mutter Erde in ih- rem Schooſe ernaͤhrt. Urtheile ich unbillig? Ein Beiſpiel, das ich aus tauſend aͤhnlichen waͤhle, ſoll's ſtaͤr- ker beweiſen. Marie war die Tochter eines Landkraͤ- mers, der ſich und ſeine treue Gattin durch emſigen und redlichen Fleiß wohl ernaͤhrte. Sie gebar ihm drei Kinder, und ſtarb, als ſie ihn mit dem vierten erfreuen wollte. Marie war die aͤlteſte unter ihren Geſchwi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/197
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/197>, abgerufen am 28.11.2024.