blicke, in welchem er nachher wenigstens vier Jahre später in meiner Gegenwart in diesen Saal geführt ward, eilte ihm der erstere mit ofnen Armen und dem lebhaftesten Gefühle rei- ner Freude entgegen, umarmte ihn zärtlich und küßte ihn unzähliche mal.
Von diesem Augenblicke an sind sie unzer- trennliche Gefährden, scheinen immer nur ei- nen Sinn, einen Gedanken zu haben, nur ein einziges Wesen auszumachen. Alle ihre Bewegungen und Handlungen, selbst die Be- friedigungen aller ihrer Instinkte sind einander gleich, geschehen auf einerlei Art und zur näm- lichen Zeit. Sie essen, trinken, wachen und schlafen miteinander. Hört der erstere auf zu essen, so folgt der andere sogleich nach, läßt dieser die Hände sinken, so sinken auch die Hän- de des erstern. Lächelt er, so lächelt jener auch, kurz zu sein -- Ich beobachte sie schon vier Jahre, und habe noch nie an einem die-
blicke, in welchem er nachher wenigſtens vier Jahre ſpaͤter in meiner Gegenwart in dieſen Saal gefuͤhrt ward, eilte ihm der erſtere mit ofnen Armen und dem lebhafteſten Gefuͤhle rei- ner Freude entgegen, umarmte ihn zaͤrtlich und kuͤßte ihn unzaͤhliche mal.
Von dieſem Augenblicke an ſind ſie unzer- trennliche Gefaͤhrden, ſcheinen immer nur ei- nen Sinn, einen Gedanken zu haben, nur ein einziges Weſen auszumachen. Alle ihre Bewegungen und Handlungen, ſelbſt die Be- friedigungen aller ihrer Inſtinkte ſind einander gleich, geſchehen auf einerlei Art und zur naͤm- lichen Zeit. Sie eſſen, trinken, wachen und ſchlafen miteinander. Hoͤrt der erſtere auf zu eſſen, ſo folgt der andere ſogleich nach, laͤßt dieſer die Haͤnde ſinken, ſo ſinken auch die Haͤn- de des erſtern. Laͤchelt er, ſo laͤchelt jener auch, kurz zu ſein — Ich beobachte ſie ſchon vier Jahre, und habe noch nie an einem die-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0231"n="217"/>
blicke, in welchem er nachher wenigſtens vier<lb/>
Jahre ſpaͤter in meiner Gegenwart in dieſen<lb/>
Saal gefuͤhrt ward, eilte ihm der erſtere mit<lb/>
ofnen Armen und dem lebhafteſten Gefuͤhle rei-<lb/>
ner Freude entgegen, umarmte ihn zaͤrtlich<lb/>
und kuͤßte ihn unzaͤhliche mal.</p><lb/><p>Von dieſem Augenblicke an ſind ſie unzer-<lb/>
trennliche Gefaͤhrden, ſcheinen immer nur ei-<lb/>
nen Sinn, einen Gedanken zu haben, nur<lb/>
ein einziges Weſen auszumachen. Alle ihre<lb/>
Bewegungen und Handlungen, ſelbſt die Be-<lb/>
friedigungen aller ihrer Inſtinkte ſind einander<lb/>
gleich, geſchehen auf einerlei Art und zur naͤm-<lb/>
lichen Zeit. Sie eſſen, trinken, wachen und<lb/>ſchlafen miteinander. Hoͤrt der erſtere auf zu<lb/>
eſſen, ſo folgt der andere ſogleich nach, laͤßt<lb/>
dieſer die Haͤnde ſinken, ſo ſinken auch die Haͤn-<lb/>
de des erſtern. Laͤchelt er, ſo laͤchelt jener<lb/>
auch, kurz zu ſein — Ich beobachte ſie ſchon<lb/>
vier Jahre, und habe noch nie an einem die-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[217/0231]
blicke, in welchem er nachher wenigſtens vier
Jahre ſpaͤter in meiner Gegenwart in dieſen
Saal gefuͤhrt ward, eilte ihm der erſtere mit
ofnen Armen und dem lebhafteſten Gefuͤhle rei-
ner Freude entgegen, umarmte ihn zaͤrtlich
und kuͤßte ihn unzaͤhliche mal.
Von dieſem Augenblicke an ſind ſie unzer-
trennliche Gefaͤhrden, ſcheinen immer nur ei-
nen Sinn, einen Gedanken zu haben, nur
ein einziges Weſen auszumachen. Alle ihre
Bewegungen und Handlungen, ſelbſt die Be-
friedigungen aller ihrer Inſtinkte ſind einander
gleich, geſchehen auf einerlei Art und zur naͤm-
lichen Zeit. Sie eſſen, trinken, wachen und
ſchlafen miteinander. Hoͤrt der erſtere auf zu
eſſen, ſo folgt der andere ſogleich nach, laͤßt
dieſer die Haͤnde ſinken, ſo ſinken auch die Haͤn-
de des erſtern. Laͤchelt er, ſo laͤchelt jener
auch, kurz zu ſein — Ich beobachte ſie ſchon
vier Jahre, und habe noch nie an einem die-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/231>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.