und schön, die Mutter küßte es mit In- brunst, der Vater nahm's wonnetrunken in seine Arme, Knechte und Mägde jubelten, nur der alte Vogt schlich traurend nach sei- nem Gemache, und bat Gott wehmüthig, daß des Fräuleins Lebenstage nicht seiner Ge- burt gleichen möchten, denn er war wohl er- fahren in mancherlei Deutungen, und hatte die Erfahrung gesammlet, daß Gewittersturm in der Stunde der Geburt auf mancherlei Un- glück deute.
Das edle Töchterlein gedeihte vortreflich, es wuchs zur mannbaren Jungfrau empor, und reizte Alt und Jung zur größten Be- wunderung seiner Schönheit. Gott hörte das Flehen der Eltern nicht mehr, ihre Ehe ward in der Folge nicht mit mehrern Kindern ge- segnet, sie mußten sich mit dem Einzigen be- gnügen, und liebten es mit größter Zärt- lichkeit.
Edel-
und ſchoͤn, die Mutter kuͤßte es mit In- brunſt, der Vater nahm's wonnetrunken in ſeine Arme, Knechte und Maͤgde jubelten, nur der alte Vogt ſchlich traurend nach ſei- nem Gemache, und bat Gott wehmuͤthig, daß des Fraͤuleins Lebenstage nicht ſeiner Ge- burt gleichen moͤchten, denn er war wohl er- fahren in mancherlei Deutungen, und hatte die Erfahrung geſammlet, daß Gewitterſturm in der Stunde der Geburt auf mancherlei Un- gluͤck deute.
Das edle Toͤchterlein gedeihte vortreflich, es wuchs zur mannbaren Jungfrau empor, und reizte Alt und Jung zur groͤßten Be- wunderung ſeiner Schoͤnheit. Gott hoͤrte das Flehen der Eltern nicht mehr, ihre Ehe ward in der Folge nicht mit mehrern Kindern ge- ſegnet, ſie mußten ſich mit dem Einzigen be- gnuͤgen, und liebten es mit groͤßter Zaͤrt- lichkeit.
Edel-
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und ſchoͤn, die Mutter kuͤßte es mit In-
brunſt, der Vater nahm's wonnetrunken in
ſeine Arme, Knechte und Maͤgde jubelten,
nur der alte Vogt ſchlich traurend nach ſei-
nem Gemache, und bat Gott wehmuͤthig,
daß des Fraͤuleins Lebenstage nicht ſeiner Ge-
burt gleichen moͤchten, denn er war wohl er-
fahren in mancherlei Deutungen, und hatte
die Erfahrung geſammlet, daß Gewitterſturm
in der Stunde der Geburt auf mancherlei Un-
gluͤck deute.
Das edle Toͤchterlein gedeihte vortreflich,
es wuchs zur mannbaren Jungfrau empor,
und reizte Alt und Jung zur groͤßten Be-
wunderung ſeiner Schoͤnheit. Gott hoͤrte das
Flehen der Eltern nicht mehr, ihre Ehe ward
in der Folge nicht mit mehrern Kindern ge-
ſegnet, ſie mußten ſich mit dem Einzigen be-
gnuͤgen, und liebten es mit groͤßter Zaͤrt-
lichkeit.
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/318>, abgerufen am 24.11.2024.
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