Die Tage des Festes flossen schnell vor- über, denn nichts rauscht schneller, als Ge- nuß der Freude. Kleta fühlte sich unglück- lich, als sie wieder in der mütterlichen Woh- nung eingeengt war, nicht mehr am Arme des Geliebten die bunten Reihen durchfliegen, sticken oder weben sollte. Ihr geliebter Hugo hatte ihr beim Abschiede versprochen, am fol- genden Tage vor dem mütterlichen Hause zu erscheinen, und würde er eingelassen, bei der Mutter um der Tochter Hand zu werben. Kleta achtete es für nöthig, die gute Mut- ter darauf vorzubereiten; sie zögerte lange, endlich begann sie doch.
Liebe Mutter, sprach sie stotternd und mit gesenktem Blicke, ihr habt wahrgespro- chen! Das Turnier, die Ehre, welche ich auf diesem genoß, scheint Gottes Fügung zu sein. Hugo von Immenthal erhielte den Preis! Ach! ihr hättet nur sehen sollen, wie
Die Tage des Feſtes floſſen ſchnell vor- uͤber, denn nichts rauſcht ſchneller, als Ge- nuß der Freude. Kleta fuͤhlte ſich ungluͤck- lich, als ſie wieder in der muͤtterlichen Woh- nung eingeengt war, nicht mehr am Arme des Geliebten die bunten Reihen durchfliegen, ſticken oder weben ſollte. Ihr geliebter Hugo hatte ihr beim Abſchiede verſprochen, am fol- genden Tage vor dem muͤtterlichen Hauſe zu erſcheinen, und wuͤrde er eingelaſſen, bei der Mutter um der Tochter Hand zu werben. Kleta achtete es fuͤr noͤthig, die gute Mut- ter darauf vorzubereiten; ſie zoͤgerte lange, endlich begann ſie doch.
Liebe Mutter, ſprach ſie ſtotternd und mit geſenktem Blicke, ihr habt wahrgeſpro- chen! Das Turnier, die Ehre, welche ich auf dieſem genoß, ſcheint Gottes Fuͤgung zu ſein. Hugo von Immenthal erhielte den Preis! Ach! ihr haͤttet nur ſehen ſollen, wie
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Die Tage des Feſtes floſſen ſchnell vor-
uͤber, denn nichts rauſcht ſchneller, als Ge-
nuß der Freude. Kleta fuͤhlte ſich ungluͤck-
lich, als ſie wieder in der muͤtterlichen Woh-
nung eingeengt war, nicht mehr am Arme
des Geliebten die bunten Reihen durchfliegen,
ſticken oder weben ſollte. Ihr geliebter Hugo
hatte ihr beim Abſchiede verſprochen, am fol-
genden Tage vor dem muͤtterlichen Hauſe zu
erſcheinen, und wuͤrde er eingelaſſen, bei der
Mutter um der Tochter Hand zu werben.
Kleta achtete es fuͤr noͤthig, die gute Mut-
ter darauf vorzubereiten; ſie zoͤgerte lange,
endlich begann ſie doch.
Liebe Mutter, ſprach ſie ſtotternd und
mit geſenktem Blicke, ihr habt wahrgeſpro-
chen! Das Turnier, die Ehre, welche ich
auf dieſem genoß, ſcheint Gottes Fuͤgung zu
ſein. Hugo von Immenthal erhielte den
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/359>, abgerufen am 25.11.2024.
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