Er erlaubte mir nun, meine Mutter zu besuchen, die mich weinend umarmte, und mir zärtlich dankte, daß ich mich so willig der wilden Laune meines Vaters gefügt hatte. Er war bei Tische munter und fröhlich, als ich in einem grünen Jagdrocke erschien, und nannte mich zum erstenmale seinen lieben Sohn, als ich nachmittags seinen wildesten Hengst auf der Reitbahn glücklich umher tum- melte. Das ist, rief er dann immer aus, die würdige Beschäftigung eines Kavaliers, und nicht das elende Federgeschmiere, wel- ches jeder bürgerliche Schlucker nachahmen kann, weil eine Feder einen Pfennig, ein solcher Hengst aber hundert Dukaten kostet. Ich mußte täglich mit ihm auf die Jagd gehen, und da ich nach Monatsfrist so glücklich war, einen Hirsch zu erlegen, den er selbst im Schusse gefehlt hatte, so war seine Freude größer, als wenn ich Vicekönig des Landes geworden wäre.
Er erlaubte mir nun, meine Mutter zu beſuchen, die mich weinend umarmte, und mir zaͤrtlich dankte, daß ich mich ſo willig der wilden Laune meines Vaters gefuͤgt hatte. Er war bei Tiſche munter und froͤhlich, als ich in einem gruͤnen Jagdrocke erſchien, und nannte mich zum erſtenmale ſeinen lieben Sohn, als ich nachmittags ſeinen wildeſten Hengſt auf der Reitbahn gluͤcklich umher tum- melte. Das iſt, rief er dann immer aus, die wuͤrdige Beſchaͤftigung eines Kavaliers, und nicht das elende Federgeſchmiere, wel- ches jeder buͤrgerliche Schlucker nachahmen kann, weil eine Feder einen Pfennig, ein ſolcher Hengſt aber hundert Dukaten koſtet. Ich mußte taͤglich mit ihm auf die Jagd gehen, und da ich nach Monatsfriſt ſo gluͤcklich war, einen Hirſch zu erlegen, den er ſelbſt im Schuſſe gefehlt hatte, ſo war ſeine Freude groͤßer, als wenn ich Vicekoͤnig des Landes geworden waͤre.
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Er erlaubte mir nun, meine Mutter zu
beſuchen, die mich weinend umarmte, und
mir zaͤrtlich dankte, daß ich mich ſo willig
der wilden Laune meines Vaters gefuͤgt hatte.
Er war bei Tiſche munter und froͤhlich, als
ich in einem gruͤnen Jagdrocke erſchien, und
nannte mich zum erſtenmale ſeinen lieben
Sohn, als ich nachmittags ſeinen wildeſten
Hengſt auf der Reitbahn gluͤcklich umher tum-
melte. Das iſt, rief er dann immer aus,
die wuͤrdige Beſchaͤftigung eines Kavaliers,
und nicht das elende Federgeſchmiere, wel-
ches jeder buͤrgerliche Schlucker nachahmen kann,
weil eine Feder einen Pfennig, ein ſolcher
Hengſt aber hundert Dukaten koſtet. Ich
mußte taͤglich mit ihm auf die Jagd gehen,
und da ich nach Monatsfriſt ſo gluͤcklich war,
einen Hirſch zu erlegen, den er ſelbſt im
Schuſſe gefehlt hatte, ſo war ſeine Freude
groͤßer, als wenn ich Vicekoͤnig des Landes
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/73>, abgerufen am 24.11.2024.
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