Bewegsgrund ehren, und den Ausgang ge- duldig erwarten.
Zu meinem Troste war meine Geliebte die meiste Zeit auf unserm Schlosse, und pflegte meine gute Mutter, die vielleicht um meinetwillen sich am liebsten von ihr die Ar- zeney reichen, und das Kopfküssen rücken ließ. Ich war dann immer im Zimmer der Kranken gegenwärtig, und genoß die Freude, mich im Blicke meiner Verlobten zu sonnen. Aber mein itzt wieder äußerst mürrischer Vater gönnte mir dies Glück nicht lange, ich mußte stets mit ihm auf die Jagd ziehen, oft im Walde noch länger unter mancherlei Vorwand weilen, wenn er zu Hause der Ruhe genoß. Daher kam's, daß ich selbst in der Sterbestunde meiner Mut- ter nicht zugegen war, erst heimkehrte, als sie schon vollendet hatte. Meine Geliebte brachte mir weinend ihren Segen, aber er
Bewegsgrund ehren, und den Ausgang ge- duldig erwarten.
Zu meinem Troſte war meine Geliebte die meiſte Zeit auf unſerm Schloſſe, und pflegte meine gute Mutter, die vielleicht um meinetwillen ſich am liebſten von ihr die Ar- zeney reichen, und das Kopfkuͤſſen ruͤcken ließ. Ich war dann immer im Zimmer der Kranken gegenwaͤrtig, und genoß die Freude, mich im Blicke meiner Verlobten zu ſonnen. Aber mein itzt wieder aͤußerſt muͤrriſcher Vater goͤnnte mir dies Gluͤck nicht lange, ich mußte ſtets mit ihm auf die Jagd ziehen, oft im Walde noch laͤnger unter mancherlei Vorwand weilen, wenn er zu Hauſe der Ruhe genoß. Daher kam's, daß ich ſelbſt in der Sterbeſtunde meiner Mut- ter nicht zugegen war, erſt heimkehrte, als ſie ſchon vollendet hatte. Meine Geliebte brachte mir weinend ihren Segen, aber er
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Bewegsgrund ehren, und den Ausgang ge-
duldig erwarten.
Zu meinem Troſte war meine Geliebte
die meiſte Zeit auf unſerm Schloſſe, und
pflegte meine gute Mutter, die vielleicht um
meinetwillen ſich am liebſten von ihr die Ar-
zeney reichen, und das Kopfkuͤſſen ruͤcken
ließ. Ich war dann immer im Zimmer
der Kranken gegenwaͤrtig, und genoß die
Freude, mich im Blicke meiner Verlobten
zu ſonnen. Aber mein itzt wieder aͤußerſt
muͤrriſcher Vater goͤnnte mir dies Gluͤck nicht
lange, ich mußte ſtets mit ihm auf die Jagd
ziehen, oft im Walde noch laͤnger unter
mancherlei Vorwand weilen, wenn er zu
Hauſe der Ruhe genoß. Daher kam's, daß
ich ſelbſt in der Sterbeſtunde meiner Mut-
ter nicht zugegen war, erſt heimkehrte, als
ſie ſchon vollendet hatte. Meine Geliebte
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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien03_1796/80>, abgerufen am 24.11.2024.
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